Otto Mundorf an Kaplan Stiesch, 29. Mai 1943
P., den 29.5.43.
Heil und Frohgruß.
Lange habe ich mich nun in Schweigen gehüllt; zu meiner Entschuldigung muß ich vorbringen, daß unsere Freizeit sehr, sehr bemessen ist. Es bleibt uns lediglich der Mittwoch- und Samstagabend, sowie der Sonntag. An den Abenden feiern wir im nächstliegenden Dorf mit einigen Kameraden die Gemeinschaftsmesse und die Sonntage verbringen wir bei einigermaßen gutem Wetter in der Umgebung unseres Lagers, so bleibt wenig Zeit zum Schreiben übrig, es sei denn, daß ein Sonntag, wie der heutige ganz verregnet, diese nütze ich dann aus, meine Briefschulden zu erledigen.
Die Gemeinschaftsmesse ist das Ein-
zigste das wir hier haben, darin hat sie für uns doppelten Wert; einmal den Wert des Opfers selber und zweitens die Verbindung unserer Gemeinschaft aufrecht zu erhalten und uns neue Kraft für unsere Arbeit in der Gemeinschaft zu geben. Es ist ja traurig, daß hier keine einzige Gruppe ist, aber wir Soldaten können wenig daran ändern trotzdem es bitter nötig wäre, ganz besonders bei den Mädels der umliegenden Ortschaften. Es ist sehr traurig, wie tief der sittliche Stand der deutschen Jugend gefallen ist, noch trauriger ist es, wenn man ruhig zusehen muß, wie so viele junge Menschen durch die Verhältnisse unserer Zeit immer mehr in den Bann der Unzucht hineingezogen werden.
Groß ist die Aufgabe unserer Gemeinschaft, groß ist die Aufgabe eines jeden einzelnen von uns, der um die
Größe seiner Sendung und Botschaft weiß. Die Besten von uns stehen draußen im Kampf, erfüllen ihre Pflicht, wie Werner und Willi, bis zum Opfer ihres Lebens. Kleiner wird unsere Schar, größer die Aufgaben, die wir zu erfüllen haben, deutlicher und härter die Worte der Sendung. Drei große Aufgaben stehen vor uns, die Gemeinschaft junger Christen mitzubauen und die zweite, durch diese Gemeinschaft die Grundlage für ein reines starkes Volk zu legen, die dritte Aufgabe ist es, dem Kampf und Opfer unserer gefallenen Kameraden durch unser Leben und Wirken Sinn und Zweck zu verleihen, ihr Vermächtnis zu hüten und zu wahren. Das müssen die Grundgedanken und Fundamente unserer Arbeit sein. Einige Kerle der Pfarre beklagen sich über die Gemeinschaftsmesse am Tage der Gemeinschaft-Kommunion.
Herr Kaplan, gewiß, man kann den Standpunkt vertreten im Ritus der Gemeinschaftsmesse liegt etwas Äusserliches und man hat unter gewissen Voraussetzungen nicht unrecht.
Man kann aber auch anderer Meinung sein und ich glaube, daß diese Meinung mehr für sich hat als die andere. Hier draußen ist sie uns zur starken inneren Verbindung mit Gott geworden, wir können, wir feiern das Opfer des Herrn mit dem Priester am Altare. Das ist etwas großes, darüber hinaus aber bindet sie jeden Einzelnen an den anderen, es wird Gemeinschaft zwischen Priester und Volk. Nur derjenige, der diese Gemeinschaft hat entbehren müssen weiß, so glaube ich, um ihren tiefsten Sinn. Wenn nun ein Soldat in Urlaub kommt, er kommt von der Front, hat lange nicht mehr Gelegenheit gehabt das Opfer mitzufeiern,
so wird ihm eine feine Gemeinschaftsmesse zum inneren Erlebnis. Er fühlt, daß er nicht alleine ist, wenn es auch oft im Kameraden-Kreis so scheinen mag. Dieses Erlebnis gibt ihm neue Kraft. Soll man da auf 5 Min sehen, um die eine Messe verlängert wird, wenn sie ganz Gemeinschaftsmesse ist? Hat nicht der Mensch von heute Zeit einmal in der Woche eine ganze Stunde dem Herrn zu weihen, dürfen es nur 50 Min sein. Das ist doch der Grund, an dem die Sache so krankt, oder meinen sie, es könnte einem langweilig werden wenn hier zu Anfang der Messe, sowie am Ende derselben ein Lied gesungen wird? Ich glaube nicht daran. So ist es meine feste Überzeugung, daß man wenigstens die Messen der Jugend
als feine und ganze Gemeinschaftsmesse beten kann, vorausgesetzt, daß der Wille dazu vorhanden ist. Man hat mich gebeten Ihnen meine Meinung darüber einmal zu schreiben. Ich habe es getan in der Hoffnung, daß man den Bitten unserer jungen Gemeinschaft gegenüber nicht verschlossen bleibt.
Von der deutschen Komplet, die in der vergangenen Woche gesungen werden sollte waren alle schon im voraus begeistert, hoffentlich hat sie fein geklappt.
Nun will ich für heute schließen. Ihnen und allen Kameraden ein frohes Heil
Otto