Ludwig Kreuser an Kaplan Stiesch, 30. Juni 1943
In Frankreich, 30.6.40
Sehr geehrter Herr Kaplan!
Ihre lieben Zeilen aus der Heimat, die ich gestern erhalten habe, haben mich sehr erfreut; ich danke Ihnen recht herzlich dafür, gleichzeitig auch für die Zusendung der Broschüre „Immensee“, die ich in freien Stunden lesen werde.
Nachdem nun der Waffenstillstand-Vertrag mit Frankreich geschlossen worden, sind auch wir in einem kleinen Dörflein in der Nähe von Dijon zur vorläufigen Ruhe übergegangen. Vorher hatten wir noch gewaltige Fußmärsche zu erledigen. Von Lille (Nordfrankreich) sind wir wieder durch Belgien gezogen und nachher wieder in Frankreich einmarschiert. Es ging durch die Champagne und dann immer dem Süden zu, im Rücken der Maginot-Linie.
Zufällig erfahre ich gestern von meinem Bruder Ludwig, der bisher in Marienburg (Westpr.) war und dort ausgebildet worden ist, dass er als Nachersatz nunmehr in dasselbe Regiment gekommen ist, in dem ich auch bin, nur ist er im 1. Batl. und ich im 2. Batl. Wir liegen also gar nicht weit voneinander entfernt, während meine
anderen Brüder ziemlich weit zerstreut in Frankreich oder in Deutschland sich befinden. Falls Sie seine Anschrift gebrauchen können, gebe ich diese nachstehend an:
Soldat Ludwig Kreuser
Feldpostnummer 30 037 B
Es ist interessant, wenn man hört, dass in der Heimat dauernd Fliegeralarm herrscht, die Leute keine Nacht ruhig schlafen können, während wir hier in Feindesland kaum noch ein Flugzeug sehen, vor allen Dingen aber nachts gut schlafen, höchstens, daß wir 1 Std. Wache stehen müssen. Aber Verletzte und Tote durch nächtliche, englische Flieger kennen wir nicht. Ich habe natürlich, genau wie Sie, Herr Kaplan, den Wunsch, dass bald ein Ende des Krieges kommen möge und ein für alle Völker gerechter Friede erblüht.
In diesem Sinne grüße ich Sie recht herzlich und wünsche Ihnen für die Zukunft alles Gute,
Ihr
Hubert Kreuser