Kaplan Stiesch an Rudi Conin, 23. September 1943

Rudolf Stiesch Köln Bickendorf Schlehdornweg 1

23. September 43

Lieber Rudi!

Schon immer wollte ich Dir schreiben, aber wenn man sich nicht aufrappelt, verschiebt man es immer von einem Tag an den andere. Am 2 August war Deine Mutter, Deine Schwester und Hildegard in Fühlingen bei Mühlfahrts eingeladen und am gleichen Tag waren meine Mutter und ich auch da. Schon im Omnibus sahen wir uns, wussten aber noch nicht, dass wir das gleiche Ziel hatten. Es war ein glühend heisser schöner Tag und Mühlfahrts hatten eine Eismaschine. „Da da kamst Du Eis, vollen Masses auf uns herab“ so ähnlich heisst es in einer Ode von Klopstock (der Zürcher See). Erst gab es Vanille eis, dann Schokoladen und zuletzt Mocca eis aus dem Kaffeeesatz von Bohnen(Bomben)kaffee. Die Qualität steigert sich zusehends von Mal zu Mal. Schade, dass Du nicht dabei gewesen bist, Deine Mutter erzählte so schöne Berichte, mit welcher Inbrunst du und Willi Winterscheidt Dir einen vereisen gehst.

In den kommenden Monaten werdet Ihr ja wahrscheinlich wieder mehr Eis zu sehen bekommen, als Euch recht ist und ich hoffe, dass Du alles gesund ohne Erfrierungen überstehst. Zur Zeit ist Hubert Gülden in Urlaub, der leider ziemlich durch Erfrierungen gelitten hat. Die Finger der linken Hand seine steif und auch Zehen mussten operiert werden, erzählte mir der Vater. Gesehen habe ich ihn noch nichts.

In der Pfarrjugend herrscht augenblicklich eine wahre Gitarrebegeisterung: Helmuth Saure, Günter Kaussen, Peter Hundenborn, Willli Fröhling, Adi Ubber, Michel Reinarz alles ist am lernen, und manche können es schon ganz prima. Wir hatten kürzlich eine Michaelsstunde am Hochaltar der Kirche. Günter und Helmuth begleiteten

den „Unüberwindlich starken Helden“ mit der Klampfe, Josef Ley mit der Geige. Es war sehr fein. Nächsten Sonntag feiern wir den Hl Michael im Kapitol und St Georg.

Kürzlich habe ich die Soldatenbriefe einmal neu geordnet. Bisher hatte ich sie einfach chronologisch liegen wie sie eingelaufen waren. Man hatte dadurch ein sehr schönes seelisches Bild vom Verlauf des Krieges, wie er sich in den Briefen widerspiegelt. Ich habe sie jetzt den Absendern nach geordnet und mich gewundert, wie häufig manche geschrieben haben. Man sieht das erst, wenn das mal so gesammelt vor einem liegt. Auch von Dir sind viele und schöne Briefe dabei.

Ich habe nun noch einen Vorschlag. Bist Du auch einverstanden, dass Du mich mit dem brüderliche „Du“ anredest? Ich würde mich freuen, wenn Du es annimmst. Ich habe Otto Mundorf und Hans Werres den gleichen Vorschlag gemacht. So wären wir in dem Pfarrhelferkreis eine geschlossene Gemeinschaft. Wir brauchen deshalb nicht exklusiv zu bleiben und können meinetwegen Josef Kreuser oder andere dazunehmen. Allmählich werdet Ihr bewährte Männer und ich kann nicht einfach ewig das Du gegenüber Euch beanspruchen, wenn es nicht die gleiche Antwort findet.

Zum neuen Pfarrhelfer wollen wir den Helmuth machen. Er ist zwar jung aber eifrig und zuverlässig und ich glaube, dass er seine Sache gut machen wird. Alfons ist zu sehr durch Kurse usw beansprucht. – Deine Mtuter hat mir übrigens auch ein Bildchen von Dir geschenkt und so habe ich Dich öfter vor mir. Ein treuer Helfer ist zur Zeit Jochen Soddemann. Er macht den Jungen brieflich manche gute Vorschläge für die Arbeit in den Gruppen. Ich hoffe, dass dieser Winter uns ein gutes Stück weiter bringen wird. Ich habe in der Obergruppe ein[ig]e Gestalten nach Geschichte und und Dichtung besprochen zB Maria Stuart.

Nun sei herzlich gegrüsst von Deinem Namensvetter