Otto Mundorf an Kaplan Stiesch, 26. September 1943
Nordhausen, den 26. Sept. 1943
Heil und Frohgruß,
über Deinen Brief vom 23. Sept. habe ich mich sehr gefreut, soll er doch Grundstock zu einer feinen Gemeinschaft sein, deren tiefster Sinn in der Arbeit für das Reich Gottes liegt, möge der Herr uns seinen Segen dazu geben. Ich glaube, daß Rudi und Hans sich ebenfalls über Dein Angebot freuen und Dir danken werden.
Für die Adressen meinen Dank, ich hoffe, daß ich nun langsam wieder mit allen in einen lebendigen Schriftwechsel kommen werde, denn die Abende ab 19.00 Uhr gehören jetzt fast immer mir, was im vorigen Lehrgang nicht der Fall war. Um eine Adresse möchte ich noch bitten, nämlich um die
von Hans Werres.
Es freut mich, daß die Kerle mit Eifer Kampfe spielen, hängt doch an der Kampfe ein Stück unseres Lebens, unseres Fahrtenlebens, sowie unserer Abende, die wir gemeinsam verbrachten. Leider ist meine Klampfe voll von meiner Schwester und ihren Freundinnen in Anspruch genommen, sonst würde ich sie gerne zur Verfügung stellen, neue wird man wohl selten bekommen, ich werde aber hin und wieder einmal sehen, ob ich hier etwas auftreiben kann.
In das Innere des Harzes bin ich leider noch nicht gekommen. Bisher mußte ich mich mit dem Harzer Hügelland hier um Nordhausen herum begnügen. Aber auch diese Gegend ist sehr fein. Mit der Komp. kommen wir fast wöchentlich einmal rein zur Geländeübung. Am vergangenen Sonntag, dem 1. den ich hier ganz frei hatte, bin ich nach längerer Zeit endlich wieder einmal
zur Messe gekommen, anschließend bin ich hineingewandert. Ein schöner, klarer Morgen verhieß einen schönen Tag. So war es dann auch. Stundenlang bin ich durch Felder, Wälder und Heide gelaufen. Trotzdem ich alleine war, war ich nicht einsam. Über mir sangen ein paar noch zurückgebliebene Vögel ihr Morgenlied, oder die Bäume wiegten sich leise im Wind und die hohen Kiefern sangen einen Morgenchoral, wie wir es oft auf unseren Fahrten erlebt hatten. – Gegen Mittag kam ich in ein Dorf, da gerade die Glocke leutete ging ich einmal rauf zur Kirche. Da hier alles evangelisch ist, war es eine evangelische Kirche, in der gerade der Gottesdienst begonnen hatte. Das Erste, was mich berührte, war die Leere und Kälte, die mir entgegentrat. Altar
und Kanzel waren schwarz verhangen. Die Wände der Kirche waren nicht verputzt. Der Anstrich der Bänke fiel ab. Einsam stand am Altar ein Pastor, in einer Bank saß eine alte Frau, als dritter war noch ein Organist anwesend. Das waren alle Anwesenden. Abwechselnd sangen diese drei Menschen einen Choral, dann las der Pastor das Sonntagsevangelium vor, woran er seine Predigt anschloß. Da habe ich erst so richtig gemerkt, wie arm die Menschen dieser Religion sind, die sich auch Christen nennen. Als Luther sich von der kath. Kirche trennte, hat er bestimmt an solche Folge seiner neuen Religionsstiftung, wenn man es so nennen will, nicht gedacht. Hoffentlich kommt der Tag, an dem die evangelischen Christen wieder zu uns zurückkehren. Möge unser Gebet dazu beitragen.
So ging der Tag schnell dahin. Hoffentlich habe ich noch oft Gelegenheit, hier raus zu wandern. Wenn es klappt, dann werde ich einmal zum Kyffhäuser, den wir bei klarem Wetter von hier aus sehen können, rausfahren.
Inzwischen ist es nun abend geworden und für mich Zeit Schluß zu machen. In Köln werdet Ihr heute das Fest des hl. Michael gefeiert haben. Gerne wäre ich bei Euch gewesen, leider aber hat es nicht geklappt. So konnte ich nur in Gedanken bei Euch sein, indem ich Feierstunden vergangener Jahre an mir vorbeiziehen ließ. Diese Feierstunden sprachen von der Kraft und dem Geist der Gemeinschaft junger Kirche, von dem Ernst und der Freude des jungen Christen. Genau so wird auch die heutige gewesen