Hans Meiers an Kaplan Stiesch, 22. Oktober 1943
Russland, den 22. Okt. 43
Sehr geehrter Herr Kaplan.
Sie werden wohl erstaunt sein, von mir noch mal etwas zu hören. Seit einiger Zeit liege ich nun auch hier in diesem schönen Land und zwar im Nordabschnitt der Ostfront. Ich gehöre hier der Besatzung eines Sturmgeschützes an, und zwar als Funker und Ladekanonier. Wir liegen etwa 8 km hinter der Front in Bereitstellung und warten darauf, daß der Russe angreift, um dann loßuschlagen. Der kommende Winter wird und wohl noch allerhand zu schaffen machen, aber alles geht einmal zu Ende, auch dieser Krieg. Es kam plötzlich ziemlich schnell mit meiner Abstellung. Eigentlich sollte ich zu einer Neuaufstellung nach Frankreich kommen. So hat es aber das Schick-
sal gewollt, daß ich als Ersatz nach Russland kam.
Ihre Heftchen habe ich noch hier. Ich werde sie bei Gelegenheit, wenn ich sie gelesen habe, zurückschicken.
Über den Brief von Jochen Soddemann, den ich noch in Oberschlesien erhielt, habe ich mich sehr gefreut.
Im allgemeinen ist die Gegend hier ziemlich eintönig. Weit und breit nichts als Wälder, Felder, Sümpfe und ab und zu einmal ein verdrecktes russisches Dorf aus halbzerfallenen Holzhäusern. Hier in der Gegend sind die Dörfer alle von Zivil geräumt.
Nun will ich schliessen. Entschuldigen Sie bitte die Schrift, aber bei Kerzenlicht geht es nicht anders.
Es grüsst Sie in alter Frische
Ihr Hans Meiers