Kaplan Stiesch an Bruder Hans, 20. November 1943

Rudolf Stiesch   Köln Bickendorf   Schlehdornweg 1

20 November 1943

Heute kam Deine Ikone mit dem Blechkleid an und steht schon auf dem Bücherbrett. Im Frieden müssen wir den Mantel mal neu versilbern bzw vergolden lassen. Dann bekommt das Bild erst seine rechte Wirkung aber auch so sieht es schon ganz seltsam fein aus.

Auch kam ein Brief an und zwar vom 8 November. Darin preist Du den Vorzug meiner Feld-postbriefe, dass man sie bequem öffnen könne. Dann schreibst du von dem Taschenmesser. Eigentlich brauchst Du solche Kleinigkeiten nicht zurückzuschicken, sondern kannst sie do[ch] verschenken, ebenso wie den Vierfarbenstift, den Du auch ruhig hättest verschenken können. Du kannst so was doch im Bunker hochheben: Wer will das und das haben? Dann meldet sich doch sicher einer und wenn sich keiner meldet, dann kannst du doch den Russen was schenken. Dann haben die auch einige Zeugen westlicher Kultur als Andenken an unsere Besatzung. Soll ich den II Band von Lortz noch schicken? Hast Du den ersten aus? Du schriebst ja, Du hättest ihn verliehen. Wenn er weg kommt, ist es auch nicht schlimm. Mutter ist wieder gesund und will nicht einmal, dass ich mich um eine Stütze im Haushalt bemühe. Vater meinte sie hätte nicht gerne, „“wenn ihr jemand in die Pette gucke“. Das ist beosnders unangenehm, wenn wir das Fleisch von Schafen oder Becken essen. Heute kam auch eine Zuschrift von Frau Schillings, die sich bedankte für die Zulassungsmarken. Sie habe schon gebacken und werde Dir das entsprechende zuschicken. Ich schrieb überall: Auf Wunsche meines Bruders schicke ich ihnen zwei Päckchmarken. Damit kann man 4 Pfund schicken. Der Wink mit dem Zaunpfahl ist deutlich. – Intention ist notiert.

Dieser Tage hätten die Blagen die Oma auch sicher wieder zum Schreien gefunden. Ich war in einer Familie Geurtz. Die erzählte mir ihr Bruder sei total ausgebrannt, wie man elliptisch (?) zu sagen pflegt, wenn einem zwar nicht die Eingeweide ausbrennen aber die Wohnung abbrennt. Er suche ein Kreuz. Jetzt erst merke er was alles fehle. Ob ich

keins besorgen könne. Ich versprach zu sehen was sich machen lasse. Da es heute ein hoffnungsloses Un-terfangen ist, etwas kaufen zu wollen, studierte ich meine Wohnung auf die vorhandenen Kreuze hin. Ich fand deren mindestens 5, z B in meinem Schlafzimmer eins über dem Bett, eins am Weihwasserkessel, usw. Ich wollte dann das über meinem Bett nehmen. Mutter fand, es könne nicht entbehrt werden, weil es ein Primizandenken sei. (Vermutlich würde ich meine Primiz vergessen, wenn ich dieses monimentum und munumentum nicht mehr hätte). Und so hatte sie dann bei jedem eine andere Ausrede (Hast Du fünf Kreuze, so gib keines dem der keines hat, sondern sieh zu dass Du noch ein 6 tes bekommst.) Kurz und gut. Plötzlich kam ihr der erlösende Gedanke! Hans hat ja ein Kreuz. Der ist nicht da. Dem können wir es am besten ausspannen. Ich sollte nach Benrath fahren, es holen usw. Wundere Dich nicht, wenn Omi dir in absehbarer Zeit Deine Wohnung leerträgt zwecks Schonung eigener Bestände. – Bis nachher Oma auf den genialen Einfall kam, unsere eignen Kreuze anders in der Wohnung zu verteilen, so dass sich eins erübrigte, dass [das] wir dann weitergaben.

Na ja, Du kannst den Brief ja nach Schweinfurt schicken. Die Blagen werden den nötigen Kommentar dazu liefern.

Anbei zwei Totenzettel von zwei junge[n] Soldaten aus unserer Pfarre. Das sind doch feine Kerle, diese Jungen dieser Generation.

Sein Bruder, der mir das feine Tscherkessenlied beigebracht hat, ist heute wieder nach Hermdorf bei Ohlau gefahren, wo er Flugzeugmonteur bei der Luftwaffe ist.

Nun will ich Oma den Brief zu lesen geben, damit sie ihre Glossen dazu machen kann.

Daag!

Rudi