Jochen Soddemann an Rudolf Stiesch, 31. Oktober 1943

Am Christkönigstag des Jahres 1943.

+Rudolf!

Am Abend des Festtages gilt Dir und den Jungen der Pfarre mein Gruß und mit ihm die Grüße vieler Kameraden. Dein Schweigen sagt mir, daß Ihr endlich in der Arbeit steckt und so will ich mich gerne bescheiden.

„Christus soll König sein über alle Völker!“

Christkönig – das Wort lässt in uns Erinnerungen, Hochstimmungen, Erlebnisse seltener Ergriffenheit wach werden: Erinnerung, da wir irgendwo in einer Kölner Kirche standen unter den Jungen und Mädchen und Lieder und Gebet dem König huldigten.

Erinnerungen gewinnen in allem Leben Raum, gewinnen Übermacht in dem des Träumers.

Wir aber schauen als Christen nüchtern und ohne Selbsttäuschung in die kommende Zeit. So ist uns der Tag XP des Königs kein Tag der Erinnerung, sondern Tag des Aufrufs

der Weisung.

Was will er uns weisen?

Eben das – Christus ist König!

Ist es nicht ein Hohn, so zu sprechen, zu singen, zu leben? Wenn uns täglich die Herrschaft der andern Mächte: des Ich, der Lüge, der Gewalt begegnen. Wenn wir in unserem eigenen Leben selbst der Herrschaft dieses Christus noch nicht einmal zum vollen Sieg zu helfen vermögen.

Und doch – Der Herr ist König!

Er selbst hat es uns gesagt und vom Sinn seines Reiches gesprochen, dem Reich der „Wahrheit und des Friedens“.

Sein ist der Sieg, der kommende, große Sieg, auch unser Sieg, der Sieg der „Töchter“ und „Söhne“ Gottes – der Christen.

Wir wollen in unseren Herzen tragen jene Bitte des „Vater unsers“, die wir so oft achtlos sprechen: „Zu uns komme Dein Reich“.

Und unser Leben muß an der Stelle, wo wir stehen, das imm[erwä]hrende Bemühen sein, diesem Reich Raum zu verschaffen.

Dann sind wir in Wahrheit

Kämpfer des Großen Königs

   In Ihm Euch Allen Heil und Gruß

     Jochen