Heribert Faber an Kaplan Stiesch, 25. Dezember 1943
Weihnachten 1943
Lieber Kaplan Rudolf!
Das Erstemal in meinem Leben bin ich Weihnachten unter völlig fremden Menschen fern meiner Heimat. Doch ist es Weihnachten wie sonst, denn die Weihnachtsbotschaft, die Ursache des Weihnachtsfestes, ist nicht an Zeiten, Völker, Örtlichkeiten, äußere Umstände gebunden. Sie ist zu allen Zeiten, an allen Orten und für alle Menschen gültig. In diesem alten, christlichen Sinne verstehen und feiern wir Weihnachten dieses Jahr leider nicht in der Heimat, sondern, durch die Zeitumstände bedingt, fern von ihr. So wünsche ich Ihnen
ein gnadenreiches Weihnachtsfest. Ich hoffe, dass Sie es in diesem Sinne ein recht langes Leben hindurch feiern können. – Wir wissen, dass der Inhalt der Weihnachtsbotschaft die Ankunft des Erlösers, und damit der Beginn des Friedens zwischen Gott und dem Menschen verkündet. Wir kennen auch die inhaltsschweren Worte der Botschaft von den Menschen, „die eines guten Willens sind“. Deshalb ist der Unfriede und Streit, der heute die Welt erfüllt, für uns kein Beweis für das Versagen der alten Weihnachtsbotschaft. Sie hat nicht versagt, sondern die Menschen, die sie nicht verstehen, oder wenn sie sie verstehen, die Konsequenzen nicht daraus ziehen wollen. Wenn die Weihnachtsbotschaft (die christliche) von Frieden spricht, so meint sie ja den Frieden zwischen Gott und den Menschen. Ist dieser Friede da, so ist naturgemäß auch der Frieden
zwischen den Menschen da. Das letzterer nicht da ist, sehen wir jeden Tag, und so wissen wir auch, dass ersterer nicht da ist. Wie können wir zum Frieden mit Gott (und damit zum Frieden untereinander) kommen, so lange wir Gott ihm Vorschriften machen wie er zu sein hat und was er zu tun und lassen hat und welche Vorschriften er uns zu machen hat? Wir verwechseln uns ja mit Gott. So war das vor uns, und ähnlich so wird es auch nach uns sein. Das ist kein beweis für das Versagen des Christentums sondern dafür, dass die Menschheit in ihrer Gesamtheit immer noch an den hohen Anforderungen derselben scheitert. Man hat ja zu allen Zeiten viel bequemere geistige Grundlagen. – Wir wollen zu denen gehören, die sich bemühen den Anforderungen des Christentums zu genügen ohne uns in Äußerlichkeiten zu verlieren.
Daß wir damit etwas tuen, was mal zeitweilig für manche als überlebt gilt, soll uns nicht stören. Es gibt nur eine Wahrheit, und die ist nie unmodern und nie hinderlich ein guter Deutscher und tüchtiger Soldat zu sein.
Befinde mich seit 4 Wochen im Lazarett wegen eines Beinleidens, daß ich mir beim Exerzieren zugezogen habe. Habe Marschfraktur und liege mit dem rechten Bein in Gips. Hier gibt es ja wenig Erlebnisse. Das war doch bei der Einheit anders. Da gab es manchmal Dinge, die mit Gefahr verbunden waren. Doch darüber lieber mal mündlich. – In diesem Sinne nochmals ein gnadenreiches Weihnachtsfest und herzl Grüße von
Ihrem Heribert