Hubert Schmitten an Kaplan Stiesch, 21. Dezember 1944

Russland, am 21. Januar 1944.

Lieber Herr Kaplan!

Ihre lieben Zeilen habe ich mit grosser Freude erhalten. Vielen Dank dafür, besonders für die lieben grüsse u. guten Wünsche, die ich hiermit ebenso herzl. erwidere.

Es ist mir eine grosse Beruhigung, zu wissen, dass Sie, lieber Herr Kaplan, sich nochmals meines Jungen ganz besonders annehmen wollen, damit er auf der Schule wieder in etwa beikommt. Ich selbst habe Kurti in einem längeren Brief alles nochmals eingehendst vor Au-gen geführt, ihm eindringlichst in’s Gewissen geredet, sich zu befleissigen, dass er den An-forderungen, die seitens der Schule an ihn gestellt werden, gerecht wird; insbesondere Ihre gütige Hilfe willig darzunehmen u. Ihnen Ihre hochherzige Mühe durch Aufmerksamkeit u. Fleiss zu belohnen.

Ich weiss auch, u. pflichte Ihnen in der Beziehung bei, dass es nicht allein bei dem Jungen liegt u. seinem guten Willen, wenn er im Moment nicht so recht Schritt hält. Dabei sind, wie sie ja auch schreiben, die ganzen Zeitumstände mitbestimmend.

Sie können wohl verstehen lieber Herr Kaplan, dass wir nichts unversucht lassen möchten, unseren Kindern, denen doch unsere ganze Liebe u. Sorge gilt, den Lebensweg zu ebnen u. sie zu brauchbaren u. nützlichen Menschen zu erziehen. Wie viel Sorge u. Mühe hat sich meine liebe Frau gemacht, insbesondere all die Zeit

wo ich ihr bei der Erziehung der Kinder nicht helfend zur Seite stehen kann. Ihr allein liegt auch weiterhin die ganze Sorge ob.

Darum seien Sie, lieber Herr Kaplan meines ganz besonderen und aufrichtigsten Dankes, um die Sorge u. Mühe, die Sie in so selbstloser und hingebungsvoller Weise um das Weiter-kommen meines Jungen aufwenden, versichert.

So Gott will bekomme ich bald meinen Urlaub. Wie werden sich meine Lieben freuen und wie bin ich Gott dankbar, dass er uns alle wieder bald gesund für glückliche Tage zusam-menführen will.

Nun verbleibe ich, Ihnen u. Ihren lieben Eltern alles Gute wünschend, mit den herzlichsten Grüssen u. aufrichtiger Dankbarkeit

Ihr Hubert Schmitten