Kaplan Stiesch an Hans Meiers, 29. März 1944
29. März 44
Lieber Hans!
Für Deine Zeilen herzlichen Dank. Zweimal bin ich wieder für einige Tage krank gewesen. Hier ist es immerhin noch erträglicher als an der Front, wenngleich es auch kein Vergnügen ist bei Alarm mit Fieber in den Keller steigen zu müssen. Sonst geht hier das leben seinen Gang weiter. Nächsten Sonntag wird in Bruder Konrad die Mathäuspassion von Schütz aufgeführt durch den Kölner Bachverein. Ich bin mal gespannt wie das werden wird. 300 Plätze werden schnell besetzt sein. Das Rennen um Karten für die Bachsche Passion ist wie in jedem Jahr. Zur Zeit sind ua in Urlaub Rudi Conin, Karl Michael Fritz, Karl Heinz Deussen Hans Kreuser Michel Reinartz. Da merkt man erst manchmal wie viele uns fehlen, die eigentlich alle in der Pfarre beteiligt sein müssten. Hoffen wir, daß der Tag nicht zu fern ist, wo wir wieder alle um den Altar von Dreikönigen versammelt sein können. Auch da wird man durch die Entbehrung die wahre Wertschätzung gelernt haben. – Letzten Sonntag war in St Michael eine Gedenkstunde für die Gefallenen. Du schreibst, an der Front sehe man, wie wenig ein Menschenleben wert sei. Ich meine es ist ein Trost zu wissen, daß für Gott und vor ihm jeder doch ein einmaliger Gedanke seiner Schöpferkraft ist und unvergessen bleiben wird, auch wenn die Menschen seiner vergessen.
Inzwischen wirst Du ja von Jochen das eine oder andre gehört haben. Ich glaube, er würde sich freuen, wenn der eine oder andre Soldat ihm auch mal einen kurzen Gruss schickte. Manchmal wird die Zeit ja knapp sein, manchmal aber kommen auch Zeiten der Langeweile jedenfalls wie Rudi Conin erzählt. Mein Bruder schreibt sehr viel. Er wird damit gefoppt, daß man sagt, für ihn wolle man ein eignes Postamt eröffnen.
In steter Herzlichkeit Dein