Rudi Conin an Kaplan Stiesch, 1. Mai 1944
Eismeer, den 1.5.1944.
Rudolf!
Dir und allen Kerlen von hier oben wieder einen recht frohen Gruß.
Seit ein paar Tagen erst bin ich hier und ich habe mich eigentlich recht schnell wieder eingelebt. Zwar ist es noch nicht so, wie es eigentlich sein müsste, denn allzu oft muß man noch an das Erlebte denken. Man ist doch wieder einmal durch den Urlaub aufgerüttelt worden und zwar auf jedem Gebiet. Den sturen Kommißbetrieb mit all dem geistlosen Quatsch u.s.w. hatte man doch wieder einmal ganz vergessen und nun steckt man schon wieder in dem alten Betrieb drin. Wie froh wäre man, wenn man den ganzen Dreck einmal hinter sich hätte.
Bei meinem Verein fand ich nun einige auch für mich verlustreiche Zustände vor. Genau Ostern griff der Iwan im Tiefflug mit allerlei Maschinen an und ist dabei auch mein Bunker ein Raub der Bomben geworden. Meine Bücher, die Schrift, die Briefe, das Tagebuch (schon zum 2. x), die ganzen Bilder, Adressenverzeichnis etc. sind verloren gegangen. Und da hätte ich gauch gleich eine Bitte, schreib mir doch bitte einmal schnell die Anschriften der Kameraden. Die warten ja bestimmt auf Post von mir, denn es wird gewiß mancher Brief während meines Urlaubs eingegangen sein.
Ostern selbst verlebte ich im Gegensatz zu den sonstigen Jahren (als wir Ostern draußen feiern konnten) ganz einsam und wenig erfreulich. Zwar konnte ich am Opfer teilnehmen, doch das war auch schon alles. Aber eigentlich sollte man schon darüber
höchst froh sein, denn darin liegt doch die Osterfeier ganz allein. Und wie wenigen Kameraden mag dies noch vergönnt gewesen sein? Ostern selbst lagen wir noch in Danzig, denn die Schirffe liefen erst nach Ostern aus. Daß ich mich in so einer grauen Stadt wie Danzig sehr einsam fühlte war klar. Etwas Freude brachte mir lediglich ein Kulturfilm vom Wintersport, den ich in einer Sondervorstellung sah.
Aber daran haben wir eigentlich ja auch genug, denn während ihr jetzt in den Mai geht, stehen wir noch immer im Winter. Schnee und Eisstürme wechseln noch immer ab, obwohl es auch schon schöne Tage gegeben hat. Das einzig Gute ist, dass die Polarnacht vorbei und jetzt so langsam die Miternachtssonne voll am Himmel steht.
Rudolf! Zum Schluß noch einmal die Bitte wegen der Anschrift der Kameraden und Dir und den Kerlen einen Frohgruß
Rudi