Jochen Soddemann an Rudolf Stiesch, 10. Mai 1944
Am Abend, 10. Mai 1944.
Lieber Rudolf!
Fein, daß Du den „Kilometerstein“ nun doch noch bekommen hast und so den Kerlen manche Freude machen kannst. Mein Freund schrieb dieser Tage noch, dass er am 1. Mai seinen Kameraden unter großem Gaudi den „Johann Gottlieb Seidelbast“ vorgetragen habe. Wir haben ihn früher in der Gruppe mit Begeisterung gesungen.
Du schreibst von den Anregungen, die Pitters Urlaub dem Singen der Kerle gab. Auch Werner war oder ist noch in Urlaub, meine Schwestern schrieben davon. Ich bin gespannt, was er in diesen Tagen Neues ausgeheckt hat, Werner ist ja unheimlich aktiv.
Du fragst nach meinem Lehrgang: Zu Deiner Frage: Zunächst ist es [ein] rein technischer Lehrgang, in dem also weltanschauliche Fragen gar nicht in Frage kommen. Und wenn! Wir sind unter den 9 Männeken, die mitmachen, zu 3 Theologen. Da gibt’s sowieso nicht viel Diskussion. Die Abfuhr könnte zu heftig sein.
Aber im ganzen bin ich den Kram doch ziemlich leid: Mein alter Mathematiklehrer würde über das ganze Gesicht schmunzeln, wenn er sähe, wie man mich mit mathematischen und physikalischen Formen drangekriegt hat. Es wimmelt nur so davon in unseren Unterrichtsstunden. Und gerade die Physik war doch kein „Lieblingsfach“.
Nun ja, „es geht alles vorüber“.
Die kommenden Wochen werden wohl wieder einige Änderungen im Dienst bringen. Wann und was, ist ungewiss: Aber man hat ja bei Preußens immer so seine Quellen.
Für den kommenden Rundbrief habe ich den Gedanken gewählt: „Unser Beten im Dienst“. Was hältst Du davon?
Nimm für heute meinen herzlichen Gruß, auch Deinen lb. Eltern
Dein Jochen