Jochen Soddemann an Rudolf Stiesch, 2. Juni 1944
Am Freitag in der Pfingstwoche 1944.
Grüß Dich Gott, lb. Rudolf!
In den letzten Tagen kamen wieder zwei Briefe zurück, dies mag mir ein äußerer Anlaß sein, dir heute meinen Gruß zu sagen. Was hältst Du von meinem Vorschlag betreffs der Briefe. Du hast einmal die Arbeit und schreibst die Heimatanschriften aller ab, und der betreffende Junge bekommt von mir die zurückgegangenen Briefe, erfragt die neue Anschrift, teilt sie mir mit und sendet gleichzeitig die Briefe ab. Damit hast Du eine ordentliche Portion Zeit für andere Sachen frei gemacht. Im übrigen halte ich nichts davon, wenn man solche Dinge immer selber tut, nicht weil man sich damit etwas vergibt, sondern weil die Leute das nachher für selbstverständlich ansehen. Die gleiche Erfahrung habe ich beim Kommis auch schon des öfteren gemacht.
Seit gestern prangen wir in neuer Würde: Fähnrich. Ein Dienstgrad mit großer Tradition – und wenig Rechten. Es wäre für uns besser gewesen, wäre der alte Weg bestehen geblieben, und wir wären Feldwebel geworden. Na, man muß halt mit dem vorlieb nehmen, was man bekommt. Wir 5 in der Kompanie müssen jetzt um jedes kleine Recht einen heißen Strauß ausfechten, doch wir sind auch gewillt uns nichts gefallen zu lassen.
Dieser Tage bekam ich einen Gruß von Karl Epfeld vom Sandweg 16d, der irgendwo in meiner Nähe bei einer schweren Flugmeldekompanie (Sondergeräte) eingesetzt ist, also bei der Ln-Truppe gleich wir. Karl war in früherer Zeit in der Jungschargruppe, die Herbert Fröhlich damals geführt hat, noch unter Kapl. Berghs. Du, was macht der übrigens noch? Ich habe so lange nichts mehr von ihm gehört, obwohl auch er die Rundbriefe regelmäßig bekommt. (Epfelds Anschrift: Gefr. K.E L 4905 1 Lg. P. A. Amsterdam.)
Da muß auch einer von den „Kampmännern“, der Kerl, unser alter „Präfekt“ in meiner Gegend liegen, könntest Du nicht einmal erfahren, wo der genau liegt, bei welcher Einheit?
Wir könnten vielleicht irgendwann mal ein Treffen der Bickendorfer veranstalten.
Von wem aus der Jugend hast Du in den letzten Wochen Post bekommen, bei mir ist’s sonst ziemlich ruhig geworden?
Hab nun guten Gruß und Gottes Schutz Dir und den Jungen
Dein Jochen.