Otto Mundof (?) an Kaplan Stiesch, 19. Juli 1944

Frankreich, den 19. Juli 1944

Heil und Frohgruß Dir Rudolf!

Lange, ja sogar sehr lange hast Du nichts mehr von mir gehört. Du wirst annehmen, ich sei schreibfaul. Nein, daran lag mein Schweigen nicht.

Seit der Zeit, seit der wir hier in Frankreich sind, hatten wir viel Dienst. Sonntag und dergl. kennen wir überhaupt nicht, Freizeit ist eine Sonderzuteilung, die nicht zum üblichen Plan gehört. Ostern und Pfingsten waren für uns Arbeitstage. Dann kam die langerwartete Invasion. Es ist klar, daß es von diesem Augenblick an nicht besser würde. Kaum eine

Nacht kamen wir aus unseren Kleidern. Mehr als 4-5 Std Schlaf sind eine Ausnahme gewesen. Da kannst Du Dir ja vorstellen, daß mir keine Zeit blieb Briefe zu schreiben. Kaum ein Brief ging in all den Wochen nach Hause, denn außer den Dienst müssen wir jede Nacht auf Wache. Aber dies alles soll keine Klage sein, sondern nur eine Entschuldigung für mein Schweigen. Im Vergleich zu den Kameraden im direkten Fronteinsatz haben wir es noch verhältnismäßig gut, auch, wenn wir oft um unser Leben laufen mussten, weil amerikanische Bomber unseren Platz angriffen. Aber nichts für ungut, immer noch hatten wir Glück.

Nun ist es etwas ruhiger geworden, so daß ich damit beginnen kann, meine Briefschulden abzutragen. Bei Dir will ich heute damit beginnen

und Dich gleichzeitig bitten, mir wieder mal etwas vom Leben und Treiben der Jungen zu schreiben, denn seit Monaten weiß ich nichts mehr von ihnen.

Von mir gibt es nicht mehr viel zu erzählen. Wo wir sind darf ich nicht verraten. Jedoch, eine größere Stadt in unserer Nähe ist aus der Geschichte bekannt. Ihr Name kommt bei Schiller vor…

Nun will ich für heute schließen. Dir und allen Kameraden nochmals herzlichen Frohgruß und

   Heil
   Otto

L 52370 Lg. Pa. Paris