Werner Stoffel (?): Aus einem Brief an Jochen (Soddermann?), 20. Juli 1944
Am 20.7.44
Zu deinen Gedanken zu meinem Brief an junge Menschen.
Ich freue mich immer über jede Kritik an der ich lerne. Leider sind es nicht Viele die dazu schreiben. Ich will erreichen das nicht alles so hingelesen wird wie eine Abhandlung über die Unsterblichkeit des Maikäfer. Du fragst ob es wirklich tiefster Ernst ist was ich schreibe. Steht nicht Phrase und Freude am grossen Wort dahinter. Freude am grossen Wort, ja, Phrase, nein. Ich schrieb: Als material zum Neubeginn können wir nicht einen Stein des alten gebrauchen. Ich meine damit alles das was wir als Jugend der Kirche als veraltet und verkalkt empfinden, als Ballast. Das Wenige, mit dem sich die Alten ihr religiöses Leben bauten, auf das religiöse Fundament ihrer Kindheit. An dem Werk das sie für die heutige Zeit errichten, hatten sie hier und da einen Stein aufs Fundament gelegt. Die Geschehnisse der Zeit haben da dann davon nicht mehr viel gelassen.
Das was wir schaffen soll nur Neues aus unserm Erleben sein. Es ist wohl ein grosses Wort und hat seinen. Grund. Du erlebst es doch selbst, die Feindlichkeit von Volk zu Volk, des Nichtverstehenwollen aus dem falschen Beispiel her. Was können wir im Wissen um die Aufgabe und Sendung in der Zukunft, von der religiösen Form der Alten noch gebrauchen! Dafür hat der moderne Mensch nur ein mitleidiges Lächeln. Er tippt sich an die Stirn und sagt „hier“. Diese Form kennt er, zwecklos ist es ihn damit zu bekehren. Unser Erleben im Umgang mit der Welt muss uns die neue Form für die alten Wahrheiten finden lassen. Nimm doch die Erfahrung aus deiner eigenen Umgebung. Das was sie kennt, nimmt sie nicht und schüttelt darüber den Kopf. Das was sie nicht gekannt hat und ein Wesentliches deines Wesens ist und deines Glaubens, bringt sie mehr oder weniger in Erstaunen.
M.E. ist es notwendig nach aussenhin mehr mit dem zu wirken was der oberflächliche religiöse Mensch nicht hat. Da wir dieses Alles aber in Büchern nicht lernen können, müssen wir es aus unserm Erleben für die Umgebung bringen. Bei der Neugestaltung wie sie uns gestellt ist, ist es nicht so sehr von Bedeutung ob etwas vom „guten Alten“ verloren geht. Wir müssen die Menschen hervorbringen, die die vernichteten herrlichen Zeugen des Glaubens aus alter Zeit, in noch schönerer Form aufbauen. Die zerstörten Dome und Kulturdenkmäler sind das äussere Zeichen dafür, das mit diesem Krieg die wertlosen Worte des Glaubens untergehen. Die Fundamente die bleiben sind wie die Fundamente des Glaubens auf dem wir neu beginnen müssen. Dieser Krieg bringt eine Neubewertung aller Werte mit sich, auch des Glaubens. Da ist es denn gut, nicht im Umbruch (und Chaos?) Werte zu retten, was noch nicht verloren ist, sondern vorher die neuen Werte der alten Wahrheit festzulegen. Diese neuen Werte der alten Wahrheit, ist das was der Mensch der Zukunft denn sucht und braucht. Zu diesem Schrieb bitte ich um euere Gedanken und euere Meinung.
Werner