Konrad Friesenhahn an Kaplan Stiesch, 9. Januar 1945
9.1.45
Mein lieber Rudi!
Zu Deinem Weihnachtsgruss an Kunei + Ota meinen herzlichsten Dank. Du erweckst allein durch die Namensgebung eine Flut von Erinnerungen, die so kostbar sind, weil sie unsere Jugend einschliessen. Degerstr. Mit ihrem Garten, dem langen Balkon, der Düsseldorfer Luft, den herrlichen Fahrrädern, der einzigartigen Dampfmaschine, der Schrecken Eurer Haarschneidemaschine, Euer treues Radio und Eure Spezialität: Heringe in Tomaten, das sind alles Kleinode glücklichster Jugend. Dazu gehört auch meine angstdurchtoste Nacht in der „Ritze“ beider Betten als die „Alten“ Ben Hur ansehen gingen und mich alleine im „fremden“ Haus ließen mit
einem unheimlichen Locus. Ach Rudi, was das eine Zeit!
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Dein Mut aus dem Frontgebiet Köln würdigt mir Achtung ab. Der letzte verzweifelte Brief Eurer Mutter gab mir doch zu denken. Nun bin ich wieder beruhigt, Deine Mutter sicher auch, wie Du nun endlich mal Hunger zu haben scheinst.
Dennoch will ich wünschen, dass zum Wohle Deiner Eltern das Evakuierungsprogramm gelingen mag. Und in dem Bericht über die Abende um die Kerze, von „nachts steht Hunger starr in unserm Traum“, schlägst Du in mir Seiten an, die imm noch strahlend vorhanden sind.
Ich danke Dir für Binding.
Dein Konrad