Jochen Soddemann an Rudolf Stiesch, 3. Oktober 1944
Am 3. Oktober 1944.
Lieber Rudolf!
So lange haben wir an jenem Abend der kurzen Stunden „Urlaub auf Ehrenwort“ beisammengesessen, und doch blieb manches unbesprochen, was noch zu klären gewesen wäre. Du schreibst in Deinem Brief vom 15.9., für den ich Dir herzlichen Dank sage, von den Jungen. Sind sie nun wieder fortgekommen oder konnten sie zu Hause bleiben und damit die Arbeit, so gut es geht, weiterführen? Meine Verbindung mit Helmut S. und damit mit allen Jungen ist seit einigen Wochen vollständig abgerissen. Würdest Du mir bitte seine neue Anschrift von seinen Eltern besorgen, falls er wieder wegkam? Oder liegt irgendetwas anderes vor, das auch Du schon irgendwie hast feststellen können. Manche Kerle haben schon einmal solche Zeiten, in denen sie mit sich selbst nicht mehr zurecht kommen.
Und inwieweit hast Du aus den letzten Wochen Nachricht von den Kameraden: So habe ich von Werner Vianden seit 2 Monaten nichts mehr gehört. Wo stecken Rudi C., Heinz Otto M. jetzt?
Daß Hans Werres 20 km von mir wegliegt, erzählte ich Dir ja wohl schon. Der Kerl nimmt sich und seinen Lebensweg sehr ernst und hat an manchen Dingen schwer zu tragen. Denk doch einmal mit an ihn. –
Am Samstag wurde allen Erwartungen zum Trotz ein lange schon erwogener Plan Wirklichkeit: Mit einem Priestersoldaten und einigen anderen Kameraden feierte ich an Herbert Engels einjährigem Todestage – er fiel am 1.10.43 – für ihn und drei andere gefallene Kameraden unseres Bonner Kreises das Heilige Opfer. Allen aus dem Kreise hatte ich schon lange vorher davon Nachricht gegeben, und so fanden wir uns an diesem Tage im Gebet für die Brüder.
Könnten wir nicht auch einmal einen solchen Tag der Gefallenen aus der Jugend unserer Pfarrgemeinde halten?
Ich warte mit großem Interesse auf Deine Antwort auf meine Fragen in diesem Brief.
Hab herzlichen Gruß und guten Mut in allem Tun
Dein Jochen