Jochen Soddemann an Rudolf Stiesch, 16. Oktober 1944
In den Mittagsstunden, 16.10.1944.
Rudolf!
Über zwei Wochen sind seit meinem Treffen mit Dir zu Hause dahingegangen. Fand ich unlängst alles noch in einigermaßen Ruhe, habt Ihr nun in den letzten Tagen wieder die ganze Wut des Krieges über Euch ergehen lassen müssen, noch weiß ich nicht, ob die Lieben Daheim und unser Vorort von den Angriffen gestern und vorgestern getroffen wurden. Den ganzen Nachmittag versuchten die Kameraden aus allen Richtungen, ja sogar von OKW Berlin her Köln zu rufen: Von allen Seiten nicht zu erreichen. Heute werden sie wieder die ganze Nacht versuchen. Es [ist] eigenartig, meistens bin ich ganz ruhig, wenn die Heimatstadt in den Berichten genannt wird, als wäre ich sicher, daß nichts geschehen sein kann; manchmal packt mich dann aber eine große Unruhe, so ist’s auch diesmal, zumal die Zahl der angreifenden Maschinen ziemlich groß war.
Ebenso ungewiß wie das Schicksal der Lieben Daheim
ist mir im Augenblick auch das der meisten Kameraden. Beiliegende Schriebe zum Koritherbrief kamen an Johannes W. zurück von Jupp K., der anscheinend wieder einmal seinen Truppenteil geändert hat. Der Brief der Mädchen kam von Rudi C. an mich zurück. Auch von Heinz-Otto M. und Werner V. fehlt seit längerem jede Nachricht. Drum sende ich heute alles an Dich weiter, bitte Dich, die Briefe an irgendeinen von den Kameraden weiterzugeben und mir möglichst bald die Anschriften auch der anderen festzustellen.
Mit Joh. Werres verkehre ich im Augenblick durch Kurierpost von Armee zu Armee. Das geht außerordentlich schnell – 1-2 Tage. Außerdem – vornehm, was? Fast jeden Tag treffen wir uns am Fernsprecher, und morgen will Hans mich sogar einmal besuchen. Ich freue mich darauf. Unsere Verbindung untereinander ist in letzter Zeit sehr lebendig und fruchtbar geworden, nur schade, daß sie mit allen Anderen so abgerissen ist.
Zu den beiliegenden Korintherbriefen: Vielleicht liest Du selbst und einige Gedanken dazu, die Dir so beim Lesen kommen.
Der Schrieb an alle hat sich durch die Zeitumstände etwas verzögert, jedoch hoffe ich auch ihn spätestens nächste Woche versenden zu können.
Zu meinem eigenen Leben: ich bin für kurze Zeit auf einer unserer Außendienststellen gelandet. Es gefällt mir hier ausgezeichnet, jedoch wird die Freude leider wahrscheinlich nicht allzu lange dauern. Laß drum Deine Post noch weiter an die alte Fpn. gehen, ich bekomme sie von dort nachgeschickt. – Übrigens noch eine Frage: Hast Du die beiden Briefe, von denen ich Dir damals schrieb, eigentlich vom Herrn Pastor bekommen?