Karl Werner an Kaplan Stiesch, 14. November 1944
Ortsunterkunft, 14.11.44
Sehr verehrter Herr Kaplan!
Endlich komme ich dazu ihnen ein paar Zeilen zu schreiben. Ich liege nun hier in Galizien. Seither habe ich noch keine Nachricht von zu Hause. Das wird wohl, vom Feinde verursach-ten Schwierigkeiten liegen. Die Evakuierung wird sicher kurz bevorstehen.
Was bei meinen Kameraden für eine religiöse Einstellung ist, da habe ich mich gewundert. Es ist nicht so, wie man allgemein hört, sondern viele stehen aktiv auf der Seite der Religion, wann immer von solchen Dingen die Rede ist. Auch bei einem Geldgottesdienst, der hier von einem Divisionspfarrer in einer galizischen Kirche abgehalten wurde, beteiligten sich viele Kameraden.
Unsere Abtl. Ist ein ganz besonderer Haufen (allgemeiner Ausdruck für seine Abtl). Es sind meistens Leute, die früher in einem
Rüstungsbetrieb unabkömmlich waren und nun durch die Göbbelsaktion Soldat wurden. Es [sind] z.B. Betriebsingenieure, Direktoren (Musik) Techniker aller Art. Da habe ich mit meiner einen Sanerather Ingenieurschule nicht viel zu reden. Das Verständnis untereinander ist allerdings sehr gut.
Und nun der Dienst. Der ist nicht besonders streng, wir sind nämlich noch nicht ganz ausge-bildet. Wir liegen vielleicht 100 km von der HKL ab, in einer ziemlich aufgeregten Partisanengegend.
Die Gegend anfürsich ist sehr interessant und schön, es sind die Westbeskiden (??). Vor ein paar Tagen ist schon eine ganze Menge Schnee gefallen. Schielaufen könnte man hier sehr gut. Die Bevölkerung hier besteht meistens aus schmutzigen Frauen, da die Männer alle eingezogen sind. Die laufen noch barfuß bis der erste Schnee fällt. Was die Häuser anbetrifft, die sind sehr schmutzig. Straßen, wie
wir sie in Deutschland haben kennen die Polen nicht. Feldwege führen z.B. bis in Krakau hinein. Eins muß ich noch erwähnen, dass wir unter den schlechtesten Verhältnissen untergebracht sind. Wäsche gewaschen habe ich schon seit 5 Wochen nicht mehr. Abends ist’s um vier Uhr dunkel und Kerzen bekommen wir hier sehr wenig, so dass wir um sechs Uhr schon schlafen gehen. Zeitung, Radio oder sonst eine Lektion sind hier fremd. Ich will nicht fragen, ob es Ihnen gut geht, ich hoffe es, denn die Terrorbomber werden Ihnen nicht viel Ruhe lassen. Unser Herr und Gott wird wieder alles zum Guten wenden. In dieser Hoffnung grüßt Sie und die anderen Kameraden in der Heimat Ihr
Franz Karl Werner