Konrad Friesenhahn an Familie Stiesch, 2. Dezember 1944
2.12.44
Meine Lieben!
Heute erhielt ich einen niederschmetternden Brief von Dir, liebe Tante Hüne. Ich will für Euch und die ganze Sippe nicht hoffen, daß es der letzte ist. Ich weiß wohl, daß alle nicht Berufstätigen Köln verlassen müssen, aber nicht, daß dieses eben bis zum 1.12. zu erfolgen hat. Das ist ja ein furchtbares Schicksal. Und in all den elenden und niederdrückenden Zeiten findest Du, liebe Tante Hüne, noch den Mut, mir weiterhin Glück zu wünschen. Mir und – Gertrud, denn Du weißt wohl zur Zeit Eures Briefes noch nicht, das in der Zwischenzeit am 11.11.44 in Eurem alten Kaiserswerther Dom mein Ja zu Gertrud gesprochen wurde.
Aber Du sollst nicht mutlos sein. Bald sind wir alle zusammen und vom Leid verschont geblieben, soweit es den Krieg betrifft. Und mein Gedenken an Euch, an die Degerstr, an Oberkassel wie an den Schlehdornweg ist so umfassend, daß ich einfach nicht will, daß alles zu Ende sein soll. Mein Gedenken umfasst die Schaukel, die Dampfmaschine und das erste Radfahren in der Degerstr. genau so wie die Reife bei dem stillen Unterhaltungstausch im Kreis
um den kriegsmäßig duftenden Kaffeetisch im Schlehdornweg.
Ich war …wie ich zu Hause war im kurzen bewirkten Heiratsurlaub, ich bin hier weiter in Schwung gekommen. Das entstellte Antlitz der Heimat demotiviert, das Gesicht der gläubigen Front reißt doch – zusammen mit dem Maß der Verantwortung, das ich neu übernommen habe. Meine jetzige Stellung gibt mir eine wunderbare Schwungkraft, die ich in langen Soldatenjahren dachte zu verbleiben.
Ich glaube weiter ganz bestimmt, daß mit dem Umbruch des neuen Jahres sich zumindest die Lage in der Luft grundlegend ändern wird und damit die Voraussetzungen zu einer Wende des Kriegsglücks gegeben sind. Sind aber die gesamten Hoffnungen nur ein Werk der Propaganda, dann erleben wir ein Verbrechen, dessen Ausmaße bisher wohl noch nicht übersehen würden und jeder weitere Tag dieses Krieges konzentriert diese Schuldenlast.
Ich kann Euch mit Beten helfen und das ist heute alles.
In LiebeEuer
Konrad