Kaplan Stiesch an Adolf ???, 15. Dezember 1944

15. Dez. 1944

Lieber Adolf!

Heute kam ich in der Nähe von St Gereon in Gespräch mit einer mir unbekannten Dame. Sie erzählte, ihr Haus sei ganz zerstört. Als ich fragte, wo sie wohne sagte sie Bismarckstr 11 und da fiel mir ein, daß das ja Eure Anschrift war. Ich erkundigte mich nach Euch und hörte, Du seiest verwundet. Einerseits freue ich mich, daß Du nun der stärksten Bedrohung entgangen bist, so sehr ich natürlich bedaure, daß Du wohl viel hast leiden müssen. Hoffentlich ist das Ärgste an Schmerzen bald überstanden!

Es ist ja tröstlich, daß im Laufe der Zeit auch schwere Verwundungen meist ganz erstaunlich gut heilen. Wie viele Verwundete des ersten Weltkrieges waren unter uns, von deren Verletzung ein Fremder nichts wusste. Auch mein Onkel aus Köln zB, dessen linker Arm sehr schwer getroffen war, de[r] aber später wieder alles damit tun konnte, wie ein Gesunder.

Hier in Köln ist natürlich nicht mehr viel Schönes. Alles ist zerstört und die Einwohner sind in alle Winde verstreut. Aber immer wieder kommt der und der um noch etwas zu holen und dann freue ich noch hier zu sein, und den Auswanderern ein Stück Heimat zu erhalten. Kürzlich trafen sich hier Rudi Conin und Peter Haas, die Du wohl auch noch kennen wirst. Sie schlugen sich vor Freude, sich nach Jahren endlich mal wiederzusehen, ordentlich auf die Schulter. Willi Winterscheid hat sich verlobt.

Weißt Du noch, wie wir mal ein[e] Marienfeier in der Nacht gehalten haben und wie alle am nächsten Tag so müde waren. Rudi Conin wusste Deinen Familiennamen nicht und hatte auf den Plan einfach „Adolf“ geschrieben. Otto Mundorf, den Du sicher auch noch kennst, ist in amerikanischer Gefangenschaft. Bei Orleans ist er hineingeraten.

Mit Hans Bayart stehst Du vermutlich selbst in Briefwechsel. Er war in Nymwegen und in Paderborn. Wo, er jetzt ist weiss ich nicht. Die Eltern von ihm sind noch da.

Zur Zeit ist Karl Heinz Hodes in Urlaub. Er ist ein tüchtiger Organist geworden und es ist ein Vergnügen, ihn spielen zu hören. Der Lindlar war lange in Dänemark. Er wird jetzt auch an der Westfront sein.

Nun würde ich mich freuen, auch mal von Dir einige Zeilen zu bekommen und zu hören, wo Du eigentlich steckst.

Ich wünsche Dir ein gnadenreiches Weihnachtsfest. Der äussere Rahmen wird ja unvorstellbar arm sein. In der Kirche sind keine Scheiben mehr. Im letzten Jahr war die Kirche noch geheizt. Was waren das noch üppige Zeiten!

Also gute Besserung und herzlichem Gruss von Deinem