Gisbert Kranz an seine Familie, 16. November 1940
Bonn, den 16.XI.40.
Liebe Mutter!
Grade habe ich eine kleine „Morgenfeier“ gehalten in dem Stil, wie wir es zusammen oft hielten, mit Likör u. Gebäck. Bevor ich nun „gestärkt“ von neuem an die Arbeit gehe, will ich Dir schnell ein paar Zeilen schreiben u. mich für das Paket, mit dem Du mich angenehm überrascht hast, herzl. bedanken. Ich bitte Dich aber, nicht noch mal Lebensmittel zu schicken. Die Butter, die ich von Hause mitgenommen hatte, war noch nicht auf, als ich das Paket erhielt (Freitag!), trotzdem ich sie mir morgen für morgen dick auf ein Brot gestrichen hatte. –
Gestern hatten wir Albert gefeiert. Ein Bundesbruder, der den Namenstag feierte (du kennst ihn ja: A. Obermann) hatte uns eingeladen. Es war sehr nett. – Da wir morgens um 7 Uhr unsere Messe hatten, konnte ich zur gleichen Zeit wie ihr Opas u. Omas gedenken. –
Sturm war auch hier in Bonn drei Tage lang, aber nicht so schlimm wie in Essen u. ohne Schaden anzurichten. Schicke mir doch bitte den betreffenden Artikel aus der Steeler Zeitung!
Weihnachtwünsche habe ich keine mehr. Die Bücher habe ich mir schon gekauft, u. ich bin froh darum, daß ich es jetzt schon getan habe, denn Lützelers „Kunst der Völker“ ist bereits vergriffen; ferner habe ich noch gekauft Lützeler, „Führer zur Kunst“, Guardini, Der Herr,
Holzner, Paulus u. die Philothen des hl. Franz v. Sales. – Lauter prächtige Werke. 7 M habe ich noch übrig.
Was den Bezugsschein für Schuhe angeht so bin ich gestern zum fünften Mal abgewiesen worden. Ich bin es jetzt satt. Allen andern werden die Anträge ebenfalls abgelehnt, auch Leuten, die sie dringend nötig haben; ich habe das gesehn an den Leuten, die vor mir an der Reihe waren. Außerdem wurde mir gesagt, ich hätte im vorigen Jahr noch neue Schuhe bekommen (Das steht hier in Bonn in der Kartei!), so daß es aussichtslos sei, daß ich jetzt schon wieder ein Paar gebilligt bekomme. Ich habe noch zwei Paar gute Schuhe u. brauche ein drittes nicht so dringend. Jedenfalls habe ich jetzt keine Zeit mehr dafür, dauernd den Weg zum Amt zu machen u. doch nichts zu erreichen.
Es grüßt Dich herzlich
Dein Gisbert
Hoffentlich kommt Dein Magen bald wieder in Ordnung.