Gisbert Kranz an seine Familie, 12. Februar 1941

Bonn, den 12.II.1941.

Meine Lieben!

Für Euere Briefe, die mich sehr erfreut haben – vor allem Mutters, den ich wegen seiner Schilderung eines wichtigen Ereignisses besonders gut verwahren werde – danke ich Euch sehr. Um alles in der gebührenden Reihenfolge zu behandeln, gratuliere zuerst ich Vater herzlich zu seinem Namenstag. Ich wünsche ihm zu diesem Tage viel Freude. So wie Ihr auf meine glückliche Zukunft angestoßen habt, so will ich es auch tun auf Vaters Gesundheit. Wenn Ihr auf meine glückliche Zukunft anstoßt, dann ist das sicher gut gemeint, wenn es auch nicht der Wirklichkeit entspricht. Betet für mich, daß ich in Gottes Gnade bleibe.

Tante Aloisia schrieb mir auch und schickte mir sogar 5 Mark, was sie garnicht tun durfte. Sie meinte, ihr sei ein Teil der Steuer geschenkt worden, und ich sollte davon mit profitieren. So habe ich jetzt mit dem Eurigen 10 M, für die ich ebenfalls herzlich danke, 15 M zusammen. Neulich erkundigte ich mich in einem Buchladen nach einen Kunstbuch mit seinen Fotos von den Münstern am Oberrhein (Freibg., Straßbg. usw), das ich kannte, aber dessen Preis ich nicht wußte.

Man sagte mir, es koste 12,50 M. Da mußte ich meinen Wunsch aufgeben, es zu kaufen. Da ich jetzt unerwartet 15 M „zuviel“ habe, kann ich mir das Buch nun doch leisten. – Fritz gedachte auch meiner. Er schrieb nicht viel, doch scheint es ihm gut zu gehen. Er bekommt Nachhilfe in Latein.

Von der „polizeiwidrigen“ Angelegenheit habe ich bereits hier gelesen. (Ich bekomme ja täglich die EVZ). Die Pottkieckerecke neulich war klotzig. – Wie gefällt Günter das Buch von den Kriegsbriefen? Es wundert mich, daß er das liest. Für Karlheinz Zeilen besonderen Dank. Grüße an Schocke, Sponheuer, Gahlen usw.! Theo Vedder, den Neupriester, kenne ich sehr gut. Er schickte mir auch eine Einladung zur Primiz. Er ist Bruder vom Heinz und zugleich Alter Herr unserer Innung. Ich habe ihn schon mehrmals besucht. – Die Kirchenblatt-„geschichte“ ist ja interessant. Kannt Du mir mal so einen „Maternus“ schicken? Hier hört und sieht man ja nichts. Karlheinz entschuldigt sich wegen seiner „Sauklaue“. Ich muß – das mit noch viel größerem Nachdruck tun. Doch ist es bei mir keine Nachlässigkeit (das ist es ja auch bei Karlheinz nicht, natürlich nicht), ich schreibe sogar sehr langsam – die Finger wollen nicht mehr. Ich sitze jetzt seit Tagen von morgens bis abends an der Schreibmaschine,

mit zwei Fingern: tuk – tuk – tukt tuk tuk – tuk – tuk usw. Ihr könnt Euch die Qual vorstellen. Und dann 250 Seiten, soviel sind es! 80 habe ich oder vielleicht auch hundert – ich habe sie nicht gezählt, 80 aber mindestens. Das Manuskript hatte ich bereits vor acht Tagen abgeschlossen – Deo gratias, doch die langweiligste Arbeit kommt jetzt erst mit dem Abschreiben auf der Maschine. Übrigens habe ich festgestellt, daß Dostojewski am 9.II.1881 gestorben ist, also genau 40 Jahre früher, als ich geboren wurde. Komisch, was? Kalenderzettel anbei. Da stehts drauf. Wenn mein „Buch“ tatsächlich gedruckt wird, erscheint es zum 60. Todestage Dost. Übrigens bin ich augenblicklich ganz begeistert von meiner Arbeit, doch weiß ich nicht, ob ich noch damit zufrieden bin, wenn ich sie fertig ins Reine gebracht habe und dann noch mal durchlese. So ist es mir ja immer gegangen.

Nun noch etwas Technisches. Da ich ja nun doch noch bis Ostern bleibe, ist es zweckmäßig, den Rest des Pensionspreises noch zu bezahlen. Das sind noch 120 M (80 M sind ja bezahlt), die Vater mir bitte mit meinem nächsten Monatswechsel (ich bin jetzt einen Monat hier) schicken möchte. Anbei meine Seitenkarte. Ich lach mich kaputt, wenn Ihr schon eine für mich habt. Dann schickt sie mir

zurück! – Das Paket ist noch nicht angekommen. Wenn es morgen früh nicht da ist, muß ich den Kaffeeklatsch verlegen. Das gibt eine tolle Sache morgen nachmittag! Ich habe sieben Mann eingeladen, eine erlesene Gesellschaft. Da will ich mich mal ein bischen ausruhen. Ich habe in letzter Zeit etwas arg aszetisch gelebt.

Viele Grüße Euch allen

Euer Gisbert