Gisbert Kranz an seine Familie, 7. März 1942
Neuruppin, den 7.III.42.
Meine Lieben!
Heute morgen erhielt ich Euer Telegramm, worüber ich mich sehr gefreut habe. Ich glaube, Vater freut sich noch mehr als ich und ist mächtig stolz auf mich. Daß ich für die acht Tage, die ich an der Front war, das Eiserne Kreuz bekommen würde, hatte ich kaum erwartet. Eine besondere „Heldentat“ habe ich ja nicht geleistet, ich tat nicht mehr als meine Pflicht, wie meine Kameraden auch. Trotzdem freue ich mich, nun doch mit einem sichtbaren Zeichen meines Einsatzes in die Heimat zurückkehren zu können. –
Mutters Brief vom Mittwoch und die Zeitungen habe ich erhalten. Vielen Dank. Fritz schrieb mir denselben Brief über die Rede dieses feinen Oberbannführers. Ich habe ihm einen entsprechenden Ant-
wortbrief geschrieben. Wir dürfen über die heutige heranwachsende Jugend kein verurteilendes Wort sprechen. Diese Jugend war und ist urteilslos und läßt sich vom Eindruck des Augenblicks bestimmen. Wollen wir darum 12-16 jährige Jungen richten? Wo heute die meisten Erwachsenen nicht anders sind? Unsere einzige Aufgabe ist in dieser Sache, die Jungen zu selbständigem Denken und Urteilen zu erziehen. Sie künstlich dieser Beeinflussung zu entziehen, hat keinen Zweck und ist auch nicht möglich. Früher oder später tritt doch diese antichristl. Propaganda mit aller Macht an sie heran. Aber dann müssen diese Jungen soweit sein, selbständig richtig zu urteilen. Dies zu erreichen, ist die Aufgabe aller Christen, die darum Verantwortung tragen, vor allem der Eltern. Um Fritz persönlich habe ich keine Sorge.
Es grüßt Euch herzlich Euer Gisbert.
Entschuldigt meine „Hahnenfüße“. Ich muß immer noch liegen und schreibe im Bett.
Schickt mir bitte per Einschreiben die Urkunde zum EK oder beglaubigte Abschrift.
PS. 7.III.42.
Liebe Mutter!
Du fragst nach dem Gedicht, das ich auf unsere Stationsschwester gemacht habe. Es war eine Satyre, keine Preishymne. Die hat Schwester Martha nicht verdient. Du verwechselt sie mit Schw. Ursel, der Blonden, mit der ich mich sehr gut stehe. Neulich habe ich sie zu ihrem Geburtstag mit Likör u. Keks traktiert, und morgen breche ich die Flasche Rotwein an und trinke mit ihr auf mein EK. Mit der Schwester muß man sich immer gut stehen (Schw. Martha ist eine Ausnahme), von wegen Essen usw. Außerdem ist Schwester Ursel hübsch, nett, und aristokratisches Blut fließt in ihren Adern (wie auch in den Arterien von Schw. Martha, der Dicken, doch die sind verkalkt). Doch kein Grund zu Befürchtungen! Das Zölibat bleibt davon unberührt. –
Jetzt noch eine Verlegung nach Steele, lohnt sich nicht mehr. Zuständig dafür ist nicht das Lazarett im Laurentius Hosp.,
sondern hier der Stabsarzt. Und der hat vor 4 Wochen schon Mutters Gesuch abgelehnt und wird es heute erst recht tun. Bemüht Euch also bitte nicht darum, es hat doch keinen Zweck.
Der Frühling naht, und wenn alles grünt u. blüht, komm ich nach Hause. Jetzt lohnt sich das noch nicht. Es schadet nichts wenn ich noch einen Monat länger hier liegen muß.
Nochmals herzl. Gruß an alle
Euer Gisbert