Gisbert Kranz an seine Familie, 10. Dezember 1942

Bonn, den 10.XII.42.

Meine Lieben!

Herzl. Dank für Euren Brief.

Nun bin ich schon eine Woche hier. Die Zeit vergeht ungeheuer schnell. Ich muß sie nutzen. In den Weihnachtsferien werde ich auch zu Hause einiges arbeiten, und ich bitte Mutter, mir mein Zimmer gemütlich auszugestalten (Tischdecke, Blumen, Gardinen, Tischlampe, Papierkorb), damit ich gleich „wirken“ kann, wenn ich in 8 Tagen nach Hause komme.

Der plötzliche Wechsel von dem rauhen Klima Danzigs zu dem milden Bonns kam etwas plötzlich, sodaß ich die ersten Tage zieml. Kopfschmerzen hatte, die aber nun vorüber sind, sodaß ich

mit voller Kraft arbeiten kann. Die Luft ist hier so milde – obendrein herrlicher Sonnenschein -, daß ich hier ständig ohne Mantel ausgehen kann, was in Danzig unmöglich war. –

Was ich hier sehr empfinde und was mich eigentlich sogar beglückt, ist die heitere Art dieses Volkes, das verbindliche Wesen im Umgang, - man muß wohl erst weit herumgekommen sein, um sich dieser Dinge bewußt zu werden. Die Danziger sind rauh u. mürrig. Zwar haben sie auch eine gewisse Gelassenheit in ihrem Wesen, doch liegt in dieser Gelassenheit viel Arroganz, sodaß sie sich ganz anders ansieht als die trotz 3 harter Kriegsjahre unerschütterte Gelassenheit des Rheinländers. Wenn ich einkaufen gehe, so begegnet man mir überall

mit Wärme und Freundlichkeit, man fühlt sich ganz persönlich angesprochen. In Danzig war das anders. Gewiß macht es auch was aus, daß ich in Uniform meine Geschäfte erledige, (aus taktischen Gründen), aber in Danzig spielte auch das keine Rolle; die rheinische Bevölkerung hat ein ganz anderes Verhältnis zum Soldaten als die im Osten Deutschlands. Vielleicht macht es, daß die Rheinländer den Krieg ganz anders zu spüren bekamen. Und dann die rheinische Sprache! Wie sie klingt! Den ostpreußischen Dialekt kann ich nicht ausstehen, und die Danziger Mundart ist nur in veredelter Form zu ertragen.

Da ich dringend eine Tischlampe benötigte und ich mir anders keine besorgen konnte, habe ich mir eine praktische schwarze gekauft zum Preise von 10,50 M. Da ich das Geld, was Ihr mir zu Weihnachten geschenkt habt, kaum Bücher für kaufen kann, betrachte ich diese Lampe als Weihnachtsgeschenk.

Herzliche Grüße

Euer Gisbert