Gisbert Kranz an „Ferdi“, Februar 1944 (?)
Entwurf
Lieber Freund! Gestern bekam ich einen Brief Deiner Mutter, in dem sie mir schrieb, daß Dein Zustand sich nach der[=?] Operation gebessert habe. Diese günstige Nachricht gibt meinen Hoffnungen neuen Auftrieb, und ich wünsche Dir nun von Herzen, daß die Besserung anhalte und Du bald völlig genesen bist an Leib und Seele.
Leni schrieb mir von Deinem Angriff am 6.XII., der durch Deine Verwundung und durch das Versagen einiger Deiner Leute nicht den erhofften Erfolg hatte. So geschieht es zuweilen, daß durch die Ungunst des Schicksals und durch menschliche Unzulänglichkeit (wie sie bei Deinem jungen Ersatz sich zeigte) ein Unternehmen vereitelt wird, ohne daß sich der Führer einen Vorwurf zu machen braucht. Ich verstehe Deine Betrübnis über das eine wie Deine Erbitterung über das andere, doch soll Dich das Bewußtsein, daß Du selbst Dein Äußerstes getan hast, über dieses Mißgeschick hinweghelfen. Ich weiß, daß Du tapfer wie immer warst, und daß Deine Offiziersehre unbefleckt ist, davon zeugt die Verwundung, die Du Dir in bedingungslosem Einsatz zugezogen hast. Sie hat Dir viele Schmerzen bereitet, doch möchte ich, daß sie Dir auch ein ehrenvolles Zeichen treu erfüllter Pflicht ist. So denken nämlich über Deine Verwundung die beiden Menschen, die Dir am nächsten stehen, Deine Mutter u. Deine Braut, u. so denke auch ich darüber, der Dir [...] am nächsten steht, aber als Soldat darüber urteilen kann. – Einige Deiner Leute haben versagt; es waren Neue, die wohl nicht lange unter Deinem Einfluß standen. Deshalb bist Du für ihr Versagen nicht verantwortlich. Deine anderen Männer, die Alten, sind Dir treu geblieben bis zum Tode, und das darfst Du Dir zur Ehre anrechnen. Ich bin stolz auf Dich, daß Du Männer führen durftest, die Dich selbst in schwierigster Lage nicht verließen. –
Lieber Ferdi! Werde bald gesund! Vielleicht können wir uns Mitte März treffen, dann hoffe ich nämlich in Urlaub zu sein. Hoffentlich hat man Dir meine Briefe an Deine neue Anschrift nachgeschickt. Mit den besten Wünschen [...]