Gisbert Kranz an seine Eltern, 5. März 1945

erhalten 31. Jan.

5.III.45. Liebe Eltern! Was soll ich Euch von dem schreiben, was mich hier erfreut? Ihr habt jetzt andre Sorgen. Was ich Euch in dieser gefahrvollen Stunde sagen möchte, drückt vielleicht am besten ein Gedicht aus, das mir unlängst einfiel: In Sturmestoben / Von mächtigen Wellen / Emporgehoben / Ein Schiff, um zu schnellen / Mit krachenden Spanten / Zerrissenen Wanten / Zersplitternden Masten / Ein berstender Kasten / Hinab in den Schlund / Und wieder hinauf / In rasendem Lauf / Und wieder von oben / Hinab auf den Grund / Hilfeschreie gellen: / „Das Schiff, es bricht / Ins Weltgericht! / Uns schluckt das Meer! Wir gehen zugrund!“ / Da öffnet Er / Den göttlichen Mund: / „Euch fürchtet nicht! / Ich bin das Licht, / dem weicht der Wahn. / Ich bin das Wort, / dem horcht Orkan. / Ich bin der Port / Im Ozean.“ / Die Nacht ist fort / Und flach die Flut. / Der Winde Wut / Uns nichts mehr tut. / Der Sturm, er ruht, / Und alles ist gut. – Daß ich Euch nicht helfen kann! Doch einer hilft! Vertrauen wir auf Gott! Ich hoffe, bald endlich Nachrichten von Euch zu bekommen. – Grüßt alle Freunde, Böhmer, Dresen, Holtmann, Karl, Günter, Fritz! Euch meine heißesten Gebete und Gedanken! Euer Gisbert.