Karl-Heinz Kranz an seine Familie, 29. November 1942
Herford, den 29. November 42.
Meine Lieben!
Ihr sitzt vielleicht gerade beim Kaffee mit Kuchen zu Ehren Günters, wo ich diesen Brief beginne. Während Ihr Eure Mittagsruhe hieltet, habe ich meine Siebensachen startklar gemacht. Wir rücken nämlich morgen nach Frankreich, wahrscheinlich zur Atlantikküste, aus. Wir, das sind ein Großteil der Kompanie, bekamen erst gestern die Tatsache mitgeteilt, daß wir abgestellt wurden. Morgen geht es im Laufe des Tages in Personenwagen der DRB. ab. Wir sind mit Marschverpflegung für drei Tage ausgerüstet. Unsere Sachen haben wir alle abgegeben und die Feldgarnitur empfangen. Es ist schon gut, daß nicht alles so Hals über Kopf geht. Ich bin nicht böse, daß wir nach Frankreich ausrücken, denn jetzt weiß ich, wo ich bin bzw. hinkomme. Der zurückbleibende Teil der Kompanie aber wird vielleicht nach der Ausbildungszeit nach Rußland hin verfrachtet und noch den russischen Winter zu spüren bekommen. In Frankreich gehören wir wohl zur Feldtruppe und verrichten auch als solche Dienst,
werden aber noch weiter ausgebildet. Wir haben ja erst die halbe Ausbildung hinter us. Mit Urlaub ist natürlich nun nicht mehr zu rechnen, vielleicht nächstes Jahr Weihnachten, vielleicht ... Da wir außer unserem Militärgepäck keinen Karton oder dergleichen mitnehmen dürfen, muß ich einen großen Teil meiner eigenen Sachen nach Hause schicken, obwohl ich alles gebrauchen könnte. Dies ist übel, da Ihr mir die Sachen höchstens teilweise in 100g-Päckchen schicken könnt. Was Ihr mir an meine neue Anschrift schicken sollt, werde ich im einzelnen noch schreiben. Ein Päckchen kann schon von den Putzlappen gemacht werden.
Und nun zu Euren Briefen! Das Paket und das Päckchen habe ich gut erhalten. Der Kuchen war so prima, daß ich ihn gleich ganz aß. Ich habe mir alles gut schmecken lassen. Das Geld in meiner Spardose kann natürlich zur Sparkasse. Fritz danke ich für die Blümchen. Wenn er neuerdings Blumen sammelt und preßt, muß er es aber sorgfältig machen, sonst hat es keinen Zweck. Es ist ja traurig, daß Vater gleich wieder so an die Arbeit muß, wo er kaum gesund
ist. Ich danke für die „Fachjugend“. Vielleicht lese ich sie auf der Fahrt. – Fritz kann mal etwas mehr von sich hören lassen!
Und nun etwas von meinem Leben hier. In der Nacht von Freitag auf Samstag machten wir einen 30 km-Marsch mit Übung. Wir waren von abends 6.00 bis morgens 10.00 Uhr unterwegs. Als wir hundemüde die Stadtgrenze von Herford erreichten, holte uns ein Musikzug von gut 20 Mann ab und führte die Kompanie mit Musik durch die Stadt zur Kaserne. Wir hätten sonst auch kaum noch einen anständigen Gleichschritt auf die Beine gebracht, denn die Augen fielen uns alle drei Schritt zu. Ihr könnt Euch wohl vorstellen, wie ich gestern abend ins Bett sank.
Heute morgen war ich wieder zur Kirche. Es ist vielleicht bis Weihnachten das letzte Mal, daß ich die hl. Messe mitfeiern konnte, denn in Feindesland dürfen wir nicht zur Kirche. Aber vielleicht läßt es sich doch drehen. – Ich will hoffen, daß ich es in meinem neuen Quartier gut treffe.
Frohe Grüße Euch allen,
Euer Karl Heinz
Neue Anschrift abwarten!