Karl-Heinz Kranz an Bruder Gisbert, 2. September 1944

Paderborn, den 2.9.44.

Lieber Gisbert!

Hab Dank für Deine Zeilen vom 23.8., die ich zu Hause vorfand. Na, so schnell klappt es nun doch nicht mit den Schulterstücken, wie Du denkst. Vorläufig sitze ich noch in Paderborn und weiß noch nicht, wie sich meine Zukunft gestalten wird. Unter dem Eindruck der jetzigen Lage scheint es mir manchmal, als ob ich wohl kaum noch Zeit finde, Offizier zu werden. Ich kann nicht verstehen, wie Du in Deinem letzten Brief nach Hause über den Sieg schreibst. Dein Blick scheint sehr getrübt zu sein, daß Du die Wirklichkeit nicht siehst (oder sehen willst). Wir werden noch viel Schweres tragen müssen, ehe das Maß voll ist, aber es wird fruchtbar sein – freilich anders, als sich viele denken. Möge unser Volk nach

der großen Heimsuchung heimfinden zum Herrn. Dies sei unsere größte Bitte.

Zu Hause las ich die beiden ersten Teile Deiner Arbeit Die dürstende Flamme. Es war ja ganz interessant; gern möchte ich mit Dir über das eine oder andere reden. Manchmal sind Deine Sätze überspannt. Du darfst dem 18-19-Jährigen Michael nicht die Gedanken eines 23-Jährigen aussprechen lassen. Einige Satzformulierungen sind so gewählt, daß sie in einem unvorbereiteten Gespräch (Michael – Alfred) unmöglich sind. Manches Unwesentliche kann wegfallen. Ich kann Dir jetzt nur Andeutungen machen. Im übrigen sieht man mal wieder, daß Du ein großer Phantast bist und nicht selten den Boden der Wirklichkeit unter den Füßen verlierst. Die Trennung der beiden Freunde hat einen dürftigen Grund. Wie kommt der Nichtkatholik Michael nach Neuerburg? – Meine Kritik ist gutgemeint.

Ich mache Dienst als Ausbilder im U.-Lehrgang. Es ist auszuhalten. Sonst nichts Neues.

Ich wünsche Dir viel Soldatenglück. – Du wirst es jetzt bald gebrauchen können.

Heil, Dein Karl

Beiliegendes Heft zur gef. Beachtung. Mancher Satz darin ist nicht schlecht.