Erich Bonsiepen an Willi Büse, 27. Juni 1940

Seestadt Wismar, den 27. Juni 1940

Lieber Dotz!

Die aus meiner neuen Heimat an der Ostsee einen ersten Gruß. Als Soldat muß man unterwegs sein u. besonders in dieser großen Zeit fühlt man sich lange an einem Ort nicht ganz wohl. So bin ich froh, daß wir im tiefen westf. ausgezogen sind u. unsere Zelte an der Ostsee aufgeschlagen haben. Man will uns hier zu zackigen Flaksoldaten machen. Der Dienst wird hart u. schwer sein u. kaum Zeit übrig lassen, private Dinge zu tun. Doch die Zeit ist kurz u. hinterher ist sicher - endgültig Frieden - .

Landschaftlich ist der Norden prachtvoll, die Ebene ist die herrliche Weite der See, wohin wir vom Fenster unserer Stube aus, Ausblick haben. Der nahe Badestrand ist sehr einladend u. Schiffsverkehr besteht zur Insel Poel u. Rügen. Wismar selbst hat eine herrliche gotische Kirche (Backstein-Gotik) Diese Bauweise ist besonders im Norden zu Hause. Sicher habe ich an einem der nächsten Sonntage mal Gelegenheit, diese Schätze kennen zu lernen. Der Ort Wismar selbst liegt an der Hafenstrecke Lübeck. Rosdock an der Lübecker Bucht, da wo die Ostsee den tiefen Einschnitt nach Süden macht. Unsere Stube ist herrlich zusammen gestellt. Ein Kamerad ist evangelischer Pfarrer in Düsseldorf. Gehört zur Bekenntnis...(kirche) u. ist als Mensch tadellos. Mit den Dingen der Soldaten ... er etwas auf Kriegsfuß u. ist damit etwas unbeholfen. ... wir an den Abenden u. unterhalten uns über die

Dinge des Christentums, woran sich nicht die ganze Stube beteiligt. Ich mußte feststellen, daß ein großer Unterschied zwischen den beiden Kondessionen überhaupt nicht besteht. Wir sind also gute Kameraden geworden. Ein anderer Kamerad aus Mühlheim, war früher einmal ??? bei ???(Stimms?). Er ist guter Katholik u. hat mit Kapl. Angenendt zusammen das Abitur gemacht (Angenendt ist auch aus Mülheim). Die anderen Leute sind ähnlich so. Eine ganz prächtige Soldatentruppe haben wir bei uns. Das Zimmer kann man als die Stube der "freien Meinungsäußerungen" bezeichnen. Es sind nur die "2%" vorhanden. Kreisch?

Die Voraussetzungen sind also gut und die Ausbildung kann beginnen bzw. hat schon begonnen. Ich habe gleich am 3 Tag Pech gehabt u. beim Sport mir einen Bluterguß zugezogen. Der Arzt hat mir 3 Tage Bettruhe verodnet, wo ich nun meine Briefe schreibe. Heute beginnt die Ausbildung mit dem Karabiner, was unsere Freizeit noch mehr einschränken wird. Der Dienstbetrieb lauft so bis 20 Uhr, amtl. Sachen in Ordnung bringen u.s.w. Tage eines kurzen Umbruchs? in mir und Tage kurzen Urlaubs sind vorbei. In mir sind manche Dinge klarer u. reifer geworden. Die ersten Tage waren sehr ungewohnt und man fühlte sich selbst verändert. Heute steht alles in alter Form neu. Die Dinge um mich herum gestalten sich von einem Mädchen aus. Aus dem herrlichen u. starken "Ich" soll nun langsam das noch stärkere "wir" werden. Oft meine ich, daß ... in mir nicht gehen könnte, denn zu sehr sind ... Dingen von früher ???. Doch jetzt .... daß zwei große Dinge nebeneinander stehen.... beide Dinge ist man in gleich starker Weise ... mich freuen, zu diesem Punkte gelangt zu ... nicht recht, ich habe ein merkwürdiges Gefühl ...

Denken wir in Gemeinschaft aneinander, denn das macht stark. Grüß den Kameraden der Heimat. Hast Du mal Zeit, lass wieder hören. Heil u. frohen Gruß

d. Erich

Wenn Du mir die Adresse von Kaplan Angenendt in Köln besorgen kannst, wäre ich Dir sehr dankbar.