Erich Bonsiepen an Willi Büse, 19. Oktober 1940
den 19. Oktober 1940
Lieber Dotz!
In der Natur wird es wieder Herbst! Eigentlich die schönste Zeit des Jahres; die Zeit der Reife. Wir müßten zurückblicken u. fragen, 'wie war die Zeit'. Doch können wir Soldaten zufrieden und fragend zurückblicken? Was konnten wir schon so groß schaffen? Erziehungsarbeit an sich selbst, am eigenen "Ich", es war fast alles. Vielleicht kommt noch hinzu, daß wir einigen Leuten Vorbild draußen sein konnten. Keiner konnte uns dieses zwar bestätigen, aber wir glauben doch sehr daran. - Sonst sind wir doch sehr stumpf und Teilnahmslos geworden, stur hat man mich nicht gekriegt, aber müde, unendlich müde. Es fällt oft sehr schwer, ein anständiges Buch durchzuarbeiten u. dabei haben wir doch so sehr viel Zeit.
Und nun sind wir dabei, uns für den zweiten Winter vorzubereiten. Das zweite Jahr Krieg! Wie oft wird es noch Herbst werden?
Vor gut einem Jahr rückte ich aus. War den Winter über voll begeistert von den Dingen draußen. Fand prächtige Kameraden u. wie anders sieht es jetzt aus. --
... in diesem Jahre Frühling wurde, atmete ich erleichtert ... der diesjährige Frühling fiel mit dem Anfang meiner ... (Freund)schaft mit dem Mädchen zusammen. Ich hatte ein ... wo ich glaubte, nur für das Mädchen leben
zu müssen. Die Welt sah mit einem Schlage anders aus. Ich merkte, daß ich dabei durch das Mädchen eingeengt war. Ein gute Kamerad schrieb mir einmal: "Möge das Mädchen den Leben ausmachen, nicht aber, daß es dieses einengt." Es war während meiner Zeit in Wismar, wo ich eigentlich eine Revolution in mir erlebte, ich bekam eine negative Haltung zum Militär. Über den Satz des Kameraden dachte ich oft nach, bis ich mich durchgerungen hatte. Es wurde langsam Herbst u. meine Liebe zu dem Mädchen ging dahin, dazu kam noch, daß sie sich sehr ihrem Bruder, einem aktiven Oberstleutnant verschrieben hatte.
Liebe konnte u. durfte es nicht mehr sein, denn ich wollte 'ich selbst' bleiben, nur noch Kameradschaft u. die soll auch bleiben, denn das Mädchen treibt im Strom des Lebens. Ich hoffe, dem Mädchen auch in Zukunft noch etwas Richtung geben zu können, etwa als Freund, sofern es so etwas gibt. ---
Eigentlich wollte ich Dir mit diesem Brief eine Freude machen u. nun ist sicher nichts daraus geworden. Ich schrieb Gedanken auf, die mir in der Seele brennen, sie schossen mir so aus der Feder. - Fasse diesen Brief nicht als Klage auf; wir fühlen uns ja verbunden als Gemeinschaft, in großen und in trüben Tagen. Ich hoffe, Du hast Das Krankenhaus wieder verlassen ... ich von Herzen volle Gesundung.
Dir Heil, Dein Erich
Hast Du noch die Adresse von den Kölner Mädels? ... Denn ich könnte denen jetzt mal gut schreiben, es ....