Erich Bonsiepen an Willi Büse, 4. Aprl 1941

Freitag, den 4. April 1941

Lieber Dotz!

Heute eine kleine Bitte:

Zu Ostern möchte ich meiner Mutter einen Strauß Osterblumen schicken, weißt Du, wie damals im September, als ich noch in Duisburg war.

Bestell doch bitte bei Blumenhaus Schmidt am Markt einen Strauß Osterblumen u. die sollen ihn dann am 1. Ostertag vormittags zu meiner Mutter schicken. Die Karten habe ich Dir beigelegt, die Du dann nur da abgeben brauchst. Du kannst ja Osterblumen, wenn solche nicht zu haben sind, dann Tulpen (Schnittblumen) oder sonstige Frühlingsblumen. […]

[…] Dir also für Deine bevorstehenden Bemühungen schon recht herzlich gedankt.

Du gehst doch jetzt sicher auch mit auf die Reise, um in Laach die Kar- u. Ostertage zu verbringen. Die ??? ist ja so recht genügend dazu. Dir wünsche ich da den Osterfrieden - und in Gedanken bin ich viel bei Euch. Ein feines Erlebnis hatte ich dieser Tage, von dem ich Dir erzählen will:

Letzten Samstag bekam ich plötzlich Ausgang nach Berlin, mein Kamerad Hermann aus Stuttgard u. ich. Nur wenn man ein halbes Jahr hier in einsamer Flakstellung vor Berlin u. nur sehr selten dahin kam, kann man ermessen, was es heißt "Urlaub für einen Tag". Na, wir zwei schoben schon früh um 6 Uhr los, um den Tag so recht mitnutzen zu können. Tagsüber kritisierten wir die

Baulichkeiten der Hauptstadt u. am Abend waren wir zum Theater "Theater von Host ???platz" (Jürgen Klöpfer) auf dem Spielplan stand "Viel Lärm um nichts" von Shakespeare mit Werner Hinz, Joachim Gottschalk, Frotz Ratz, Josef Lieber, Flakina(?) von Platen, u.a.

Viele Bühnen in Deutschland sah ich schon, auch schon manche Shakespeare Aufführung, aber eine Sache in solcher Vollendung erlebte ich noch nie. Dazu von den Schauspielern eine Wärme u. Lebensechtheit, daß ich begeistert war. - In der jungen "Herr?" Darstellerin sah ich frauliche Echtheit u. unendliche Klarheit u. Reinheit strahlte von ihr aus. Als die Schauspieler in der Pause durch die Gänge gingen, um für das W.H.W. zu sammeln kam dieses Mädcchen zu mir. Ich tat einen Groschen in die Büchse u. sie dankte mit einer natürlichen mädchenhaften Verneigung u. "danke schön". Dann ging die Aufführung weiter u. das Spiel war ... aus. Eine Erinnerung stand in mir.

Es war eben dieses Mädchen 'Herr'. Sie wohnt in Berlin u. heißt Ursula Zoll. Dieses Mädchen vermittelte mir auf der Bühne die Begegnung mit dem Mädchenhaft Schönen u. dadurch mit der Kunst. Mein Herz war so übervoll dankbar u. nach 2 Tagen schrieb ich diesem Mädchen: Ich dankte ihr für diese feine Begegnung, die mir etwas großes in diesen Tagen bedeutet hätte u.s.w. Du wirst jetzt sicher lachen, aber ich weiß, Du wirst mich verstehen, daß ich dieses tat. Nicht, weil ich etwa die Billigkeit suche, schrieb ich, sondern lediglich als Dank dem Schönen u. der Kunst. Dieses Mädchen leuchtet mir groß u. würdig, obschon ich es nie näher kennen lernte. Aber eben darum, weil ich es nie kennen lernte, leuchtet sie mir so groß u. war mir Erlebnis u. Begegnung.

So nun Schluß, will früh in die Falle! Bin stark erkältet und gieße mir gleich noch ein paar Grog hinter die Binde. Meine ersten Forschungsergebnisse über Afrika habe ich an Hilde geschickt. Ihr werdet sie sicher in Laach durcharbeiten.

Heil u. Gruß

Dein Erich