Erich Bonsiepen an Willi Büse, 10. Juli 1941

Im Felde, den 10. Juli 1941

Lieber Dotz!

Dein Brief vom 1.7. erreichte mich heute. An der Zeit wirst Du Dir denken können, wo ich ungefähr stecke. Wir sind mit ausgezogen u. erleben das Land im Osten. Doch davon später.

Gestern bekam ich einen Brief von meiner Mutter, worin sie mir mitteilt, daß Du bei ihr gewesen wärst wegen dem Boot. Ich konnte mir da gleich meine Mutter vorstellen, was sie Dir dazu sagte. Als heute dann Dein Brief kam, war mir die Sache klar. Du weißt ja selbst von zu Hause aus, daß Mütter gerade in solcher Beziehung selten(?) sind, zumal noch von solchen Dingen, wo sie sich keine rechte Vorstellung drüber machen können. Nimm es meiner Mutter nicht weiter krumm, Du weißt wie es einmal ist.

Nun zum Boote selbst: Natürlich könnt Ihr das Boot zu jeder Zeit haben. Ich schrieb es meiner Mutter heute, daß es nicht gut sei, wenn ein Boot lange Zeit trocken liege, es müßte mal aufs Wasser und ebenso eingewachst werden. Ich schrieb ihr weiter, daß ich Dich schon vor längerer Zeit bitten wollte, Dich etwas um das Boot zu kümmern. Sie wird es jetzt sicher verstehen. Erwähne bitte von dem Kram nicht zu den Mädchen(!). Es soll unter uns bleiben, denn da verstehen wir uns ja bestens u. ich möchte nicht, daß aus einer, für uns selbstverständlichen Sache, irgendein "Kohl?" entsteht. Du verstehst.

Ich habe zuletzt glaube ich vorige Jahr im Juni Miete bezahlt u. wollte es in diesem Sommer gelegentlich eines

Urlaubs machen. Aus diesem Urlaub wird nun wohl nichts werden. Mache es mit der Miete so, wie Du es vorschlägst, ich zahle sie Dir dann zurück, wenn ich Urlaub habe od. wenn wir wieder in Deutschland sind. Ich will gleich mal in meinen Sachen nachsehen, ob ich den Schlüssel vom Spind hier habe . […] Schmier es dann bitte etwas ein. Ob es noch dicht ist, weiß ich nicht genau. Na, Du wirst es dann ja selbst sehen. Sonst wünsche ich Euch zu dieser Sache recht viel Freude u. freue mich, wenn es Euch Freude macht. Grüß bitte die Mädchen Hilde, Anni u. Maria Albers herzl.

Nun einige Dinge von hier. Wir sind mit nach Russland gezogen. Zunächst waren es neue u. ungewohnte Bilder, die uns begegneten, aber sie machen in ihrer Art das Erleben aus. Es ist ein Erleben der Lande, von ungeahntem(?) Ausmaß. Das Land ist in seiner Weite fast unermeßlich. Je tiefer es hinein geht, umso begeisterter bin ich.

Viel wird vom Osten gespochen u. zuerst denkt man dabei an Polen. Doch in uns vertieft sich nun immer mehr die Meinung, daß dieses Land viel mehr als Osten anzusprechen ist. An vielen Stellen merkt man noch deutlich den Einfluß des deutschen Ritterordens und der Zisterzienser. Der oberflächliche Besucher kann das Land einfach damit abtun, indem er die Dörfer als Schmutzig abtut. Man muß dabei die Entstehung der Dörfer erforschen. Sie sind nicht gewachsen, sondern gebaut worden. Der Mensch siedelte sich um irgendeinen Betriebs??? um u. baute sich seine Hütte. Will man etwas von der Kultur spüren, so muß man die vereinzelt liegenden Häuser betrachten. Hier ist das Haus u. der Stall gewachsen. Der Bauer konnte seinem Anwesen seine Seele geben. Indem es sein Gesicht trägt, kann man ja schon von Kunst sprechen. Ich möchte noch gern der besonderen Eigenart dieser Leute auf die Spur kommen, doch dazu fehlt es an Zeit u. Gelegenheit. Mittelpunkt der Dörfer bildet meist eine sehr prunkvolle Kirche (als Burg gleichsam). In den Häusern selbst findet man eine Vielzahl von Kruzifixen u. Heiligenbildern. Sie auf "Kitsch" zu untersuchen, wäre überflüssig, denn

es handelt sich ja meist um einfache Landbevölkerung. - Letzten Sonntag fuhren wir an einer kath. Kirche vorbei, wo man einfach dazu übergegangen war, den Gottesdienst draußen im Freien abzuhalten.

Die Nächte sind herrlich, kaum, daß es dunkel wird. Wenn spät die Sonne untergeht, so dauert es nicht lange, dann geht sie im Osten schon wieder auf. Man muss diese Nächte einmal erlebt haben. Am Tage ist es ungewöhnlich heiß. Gestern 40° im Schatten. Heute hatten wir Gelegenheit, in der "Düna?" baden zu gehen. Es war ein Genuß.

In der Vegetation ist das Land äußerst reich. Meine Pflanzensammlung wächst dabei sehr an u. für mich ist es eine Freude, der Wissenschaft einen Dienst zu tun.

Und nun geht es weiter. Ich hoffe dabei, das große Rußland kennen zu lernen. Viele der Kameraden stehen mit draußen. Laß uns in diesen Tagen viel aneinander denken, es gibt Kraft.

Beiliegend 2 Briefe für H. Sponheuer, der eine kam zurück u. den 2. hatte ich heute geschrieben. Schicke sie bitte an die richtige Adresse von Heinz Sp. Zuletzt schrieb er mir aus dem Laz. in Hamm i/W, aber diese hat sich ja wohl überholt.

Für Dich u. Deine Arbeit in Beruf u. Pfarre alles Gute. Gruß den Kameraden.

Heil dein Erich

Warst Du schon bei Dinnendahl? Wie war es? Schreibe mal, wie die Sache steht.