Berta Kranz an Sohn Gisbert, November 1940 (?)
Freitagabend
Mein lieber Gisbert!
Dein lb. Brief kam heute an und ich bin froh und glücklich, daß Du keinerlei Berufszweifel hast. Glaube mir, lieber Junge, daß ich Dich nun voll und ganz verstehe. Es sind ganz natürlich Schwierigkeiten, die Du hast und Gott wird Dir helfen und Du wirst alles überwinden. Ohne Kampf kein Sieg! Viele sind berufen, aber nur wenige auserwählt! Und Du darfst froh und dankbar sein, daß Gott Dich auserwählt hat. Gerade der Priester muß unendlich viele Opfeer bringen und es ist gut, wenn Du Deinen Charakter stählst durch Selbstüberwindung schon jetzt in der Vorbereitungszeit. Vollkommen ist keiner hienie-
den. Und es heißt nicht umsonst: der Gerechte fällt 7x am Tage! Also nur nicht mutlos werden, auch wenn wir noch so sündhaft und armselig sind. Gott segnet unseren guten Willen und es fördert die Demut, wenn man trotzdem so oft fällt. Der Geist ist zwar willig, aber das Fleisch ist schwach! Wir sind u. bleiben armselige Kreaturen vor Gott und wir müssen kämpfen bis zum Tod. Allzu viel Qual u. Trauer über unsere Sündhaftigkeit kann auch allzuleicht großem Stolz zu Grunde liegen. Die Hauptsache ist für Dich: Mutig u. tapfer bleiben – nur nicht grübeln und trübselig werden. Denn einen freudigen Geber[?] liebt Gott! Ich bete jetzt mit der ganzen Kraft meiner Seele für Dich u. ich weiß, Du wirst tapfer bleiben u. alles überwinden. Das Wetter ist nun wieder schön nach all dem Regen, der hier viel Hochwasser brachte. Gehe also so viel wie möglich nach draußen und zerstreue Dich öfters mal. Du wirst am besten wissen, wie, sei es durch etwas Unterhaltungslektüre, Sport u.s.w. Und nun, Kopf hoch, lieber Junge. Gott segne Dich und seine h.Mutter beschütze Dich. Es grüßt Dich recht herzl. Deine dichlbd.
Mutter