Georg Laun an Gisbert Kranz, 14. Februar 1940
Freystadt, den 14.II.1940.
Lieber Gisbert!
Endlich komme ich dazu wieder einmal zu schreiben und auf Deinen letzten Brief zu antworten. Du wirst erstaunt sein zu hören, daß wir nicht mehr in Biesdorf sind, sondern in dem alten Standort der Abteilung und zwar Freystadt bei Neumarkt in der Oberpfalz, übergesiedelt sind. Weihnachten und Neujahr sind ganz groß verlaufen in der Eifel, jedesmal wurde bis morgens gefeiert, was so manchen Weihnachten zu Hause vergessen ließ. An Silvester gab Muschalla bekannt, daß wir bald den grauen Rock anbekämen und wir ihn wahrscheinlich nicht mehr wiedersehen, da er bis 17. Januar Urlaub hatte. Aber es kam wieder anders, wie es schon so soft der Fall war. Muschalla kam am 17. wieder und wir waren immer noch da, er wurde dann versetzt und wir bekamen einen neuen Abteilungsführer, wahrscheinlich wurde er wegen Boot strafversetzt. Wie Du vielleicht schon weißt war Boot verhaftet worden, wegen § 175. Es gab große Verhandlungen, dabei versuchte er Muschalla und andere Führer hineinzumachen, was ihm nicht gelang. Am 2. Februar wurde Boot nun mit 4 Monaten bestraft. Viel Arbeit hatten wir in letzter Zeit nicht mehr, denn es war alles eingefroren und eingeschneit. Am 4. Febr. haben wir noch das Gruppenmeisterschaftsspiel in Handball gegen Wallendorf ausgetragen, das wir
mit 7:1 gewinnen konnten und somit war Biesdorf Gruppenmeister. Abends bekamen wir 11 Spieler, 33 l Bier im Faß, vom Abteilungsführer zu trinken. In den letzten Tagen in Biesdorf, wurden die Schweine nach und nach geschlachtet und wir hatten öfters abends Schlachtfest mit Freibier, so waren die letzten Tage erträglicher als die ersten. Jede Woche hatten wir mindestens einmal Variete oder Film. Meinert ist seit 7. Januar mit Ufm. Kentrupp und Otf. Schlemmer in Trier, zwecks zur Zusammenstellung eines Buches „Wir bauen am Westwall”. Es sind dort vier Kommissionen zusammengestellt und Meinert malt die nötigen Bilder dazu. Kurz bevor wir Biesdorf verlassen haben war er noch einmal da und hat seine Privatsachen geholt, die er noch in der Abteilung hatte. Hierher nach Bayern wird er nicht mehr kommen, da er damit rechnet, daß er nach Wiesbaden kommt, wo nähmlich das beste Material zu einem Buch zusammengestellt wird. Jetzt werde ich versuchen die Fahrt nach Bayern zu schildern. Wir lagen in der letzten Zeit immer marschbereit, da wir leerstehende Bunker mit zwei Mann besetzt hielten, die jeden zweiten Tag abgelöst wurden, denn die Wehrmacht hatte mindestens 15 Stück in unserem Abschnitt unbesetzt gelassen und die wir Feldmarschmäßig besetzten mußten. Am Donnerstag, den 8. Februar nachmittags um 3 Uhr, wir waren gerade im Speisesaal, denn es sollte Variete sein, da kam plötzlich der Befehl, alles auf die Stuben marsch, marsch in 1 Stunde
steht alles marschfertig. Dann wurde die Bettwäsche abgegeben und sämtliches Inventar was mit nach hierher ging verpackt, das dauerte bis nachts 12 Uhr. Von 12 bis 3 Uhr konnten wir noch schlafen und um 3.30 war Abmarsch nach Irrel. Wir waren 53 Mann, die marschierten, die anderen mußten alles auf Lastwagen verladen und in Irrel wieder abladen. Unsere Tournister wurden zum Glück auch gefahren, denn 24 km in dunkler Nacht ist kein Vergnügen. Um 8 ½ waren wir glücklich in Irrel, wo wir um 13.10 abgefahren sind, nachdem uns Oberarbeitsführer Wutchel aus dem Gau W verabschiedet hatte. Nun ging es über Trier nach Koblenz, wo wir das Erstemal 2 Stunden Aufenthalt hatten, von hier nach Niederlahnstein, wo wir ebenfalls 1 ½ Stunde Aufenthalt hatten, um 23 Uhr waren wir in Mainz-Kastel, das nur wenige gesehen haben, denn nach den großen Anstrengungen war alles müde und schlief. Als wir morgens um 4 Uhr erwachten waren wir in Mainz-Bischofsheim nur 3 km von meinem Heimatort weg. Dort fuhren wir erst um 6 Uhr weg, wie ich später erfahren habe, hatten wir dort von 0.00-6.00 Aufenthalt, wenn ich das früher gewußt hätte, wäre ich bestimmt mal nach Hause gegangen. Ich habe ganz vergessen zu erwähnen, daß an dem Tage, an dem wir abfuhren, Muschalla zurückkam und uns hierher gebracht hat und uns hier bis zur Entlassung wieder führt. Um 6 Uhr waren wir in Bischofsheim weitergefahren, um 11.30 Uhr
waren wir in Aschaffenburg, wo wir bis 19 Uhr Aufenthalt hatten, weil so großer Mangel an Lockomotiven ist, so benutzten wir die Zeit, uns Aschaffenburg näher anzusehehen. Am Sonntag gegen 12 Uhr waren wir in Nürnberg, wo wir wieder bis nachts 0.16 Aufenthalt hatten, so bekamen wir Ausgang bis 22 Uhr und hatten Gelegenheit in Nürnberg einmal unserem Vergnügen nachzugehen. Um 6.00 morgens kamen wir in Neumarkt an, dort mußten wir das Erstemal umsteigen und fuhren mit einer Nebenbahn nach Freystadt. Hier ist es schöner als in Biesdorf. Freystadt hat über 1000 Einwohner 8 Wirtschaften, 1 Krankenhaus, 2 Ärzte und 1 Tierarzt, also können wir es noch 8 Tage aushalten. Am Montag haben wir nach Hause geschrieben, daß sie uns die Zivilkleider schicken sollen, da wir am 20. schon entlassen werden sollen. Gestern Dienstag abend hatten wir einen Kameradschaftsabend und morgen abend haben wir in Freystadt ein Kameradschaftsabend mit Tanz. Dienst haben wir überhaupt keinen mehr. Abends 8 Uhr geht das Licht aus und morgens um 8 Uhr ist wecken. Es ist eine richtige Erholung. Wann wir zum Militär kommen wissen wir noch nicht. Nun möchte ich nicht vergessen Dich zu grüßen vom alten Trupp 7, der hier wieder geschlossen beisammen ist. Wenn Du mir wiedereinmal schreibst, dann schreibe bitte nach Mainz, Emmeranstr. 5.
Es grüßt Dich recht herzlich in alter Kameradschaft
Dein Gg. Laun.