Münster, den 24. November 1940
z. Zt. Med. Universitätsklinik

Gruß Dir in Christo, lieber Gisbert!

Für Deinen Brief hab herzlichen Dank. Nun bin ich noch immer nicht gesund, besser gesagt entlassen aus der Klinik. Denn vollständig gesund werde ich wohl kaum werden. Noch einige Wochen werde ich hier bleiben müssen, und was danach kommt, das soll Gott bestimmt zum Besten führen.

Seit einigen Tagen gehe ich von der Klinik zur Uni. Drei Wochen hindurch hatte ich im September Vorlesungen besucht und auch schon belegt. Über sechs Wochen war ich nicht in der Uni. Um nun das Trimester nicht vollständig zu verlieren, hat mir der Arzt erlaubt, einige Vorlesungen zu besuchen. Ich hoffe, wenigstens einige Abtestate zu bekommen. - Unser Universitätsgebäude besteht aus mehreren Gebäuden. Das Hauptgebäude am Domplatz ist ein ganz scheußlicher Bau. Es schließt sich an das alte Jesuitenkolleg und schließlich noch ein neuerer Bau. Hörsäle, Institute und Seminare sind sehr auseinander gerissen.

Das Studium und der Lehrbetrieb gefällt mir großartig. Pflichtsport während der ersten drei Semester gibts hier auch, aber ich bin wegen meines Herzens davon befreit. Zufällig arbeitet nämlich der Uni-Sportarzt auf meiner Station - vielleicht ein Vorteil. Von kriegswichtigen Arbeiten, die wir ausführen müssen, habe ich noch nichts gehört, wohl aber von Arbeitsgemeinschaften, an denen jeder Student teilnehmen soll. Für mich fiel auch das fort. Der Kath.-Theol. Fakultät gehörten im 2. Trimester 317 Mitglieder an. An bedeutenden Professoren glaube ich, die Dir Donders und Max Bierbaum nennen zu können. Ich hatte leider noch keine Gelegenheit, eine ihrer Vorlesungen besuchen zu können. Nun wollte ich noch fragen, ob dort vielleicht ein Lüthgen, Kunsthistoriker, liest? Er kommt aus Bonn und hält hier Vorlesungen. Ich habe ihn noch nicht gehört. Im nächsten Trimester werde ich auch Lortz hören. Jetzt muß ich zunächst für Testate und Seminarscheine arbeiten. Hatte ich doch drei Unterseminare belegt. Hoffentlich wird wenigstens eines von ihnen angerechnet. Das ganze Trimester wird mir also wohl kaum verloren gehen.

Zum Philosophicum wünsche ich Dir besten Erfolg.

Herzliche Grüße
Willi