Ferdinand Frölich an Gisbert Kranz, 23. Februar 1943

am 23.2.43

Lieber Freund!

Du schreibst in Deinem Brief von gestern, Gisbert, von dem Pech, das ich in den ersten Tagen dieses Leerganges - oh, Verzeihung, Lehrgangs - hatte. Ein Unglück kommt selten allein, schreibst Du. Ich sage Dir aber, lieber Gisbert, auf Regen folgt Sonnenschein. Und so war es bei mir auch. Vor 14 Tagen war ich nämlich Samstag-Sonntag in Breslau und habe dort Leni getroffen, die garnicht weit von dort ihre neue Beschäftigung gefunden hat. D. h. sie war zuerst weiter im Wartheland, ist aber schon nach einer Woche direkt an die ehemalige Grenze (80 km von Breslau) versetzt worden. Sie verwaltet dort eine Schulstelle allein, aber es gefällt ihr dort gut. Sie nimmt jetzt sogar an einem Kunstgewerbekursus teil und soll hinterher als Kreisreferentin für Kunstgewerbe dort wirken. Das ist das, was ihr liegt und was sie sich immer schon gewünscht

hat. Sie soll nämlich durch ihre Arbeit Verständnis für die alte Volkskunst wecken. Eine schöne Aufgabe.

In Breslau war es auf jeden Fall wunderbar, es ist doch seltsam, diese zwei Tage haben mir Kraft gegeben, mehr als die vier Wochen vorher. Jetzt kann ich beruhigt wieder nach draussen gehen, mit schönen Erinnerungen. Wie sagt noch Jean Paul: „Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können.” Und das nehme ich mir als Wahlspruch. Gibt es noch etwas, was wahrer ist? Ich kann so beruhigt nach draussen gehen, wo ich so einen netten Kerl habe, der hier auf mich wartet. Ach, Gisbert, ich möchte Dir so gern von ihr erzählen, stundenlang könnte ich das. Und, was am schönsten ist, das Verhältnis zwischen ihr und meinen Eltern und den Mädchen ist so wunderbar. Sie habe ich in dieser Hinsicht keine Sorgen.

14 Tage bin ich noch hier. Schreibe noch mal.

Herzlichen Gruss
Dein Ferdi.