Albert Obermann an Gisbert Kranz, 22. Juni 1944
O. U., den 22. Juni 44.
Lieber Gisbert!
Erst heute komme ich dazu Deinen lb. Zeilen vom 29. April zu beantworten u. Dir dafür zu danken. Ich hoffe, daß es Dir im Norden dieses Landes noch gut geht u. Du nicht allzu sehr unter den gegenwärtigen neuen Ereignissen der Invasion zu leiden hast. Haben Deine Lieben zu Hause die letzten Angriffe auf unsere Heimatstadt gut überstanden? Was hörst Du Neues aus unseren Bonner Verhältnissen? Meine Eltern schickten mir den Abschiedsbrief von Reckers. Dabei lag eine lange Liste unserer Gefallenen. Es hat mich schmerzlich berührt, als ich so manchen Namen lesen mußte, der einem vertraut war. Denken wir doch alle immer an ein freudiges Wiedersehen an der Alma Mater nach dieser schrecklichen Zeit zu neuem u. sinnvollem
Schaffen. Und da werden wir dann manchen vermissen, der einst an unserer Seite im Kolleg saß. - Vom Alex erhielt ich Nachricht, daß er verwundet sei u. in irgend einem Lazarett liegt. - Klaus wird nun wohl bald Diakon. Boy u. Piux sollen in Honnef sein u. Flaps in Bonn. Hoffen wir, daß auch wir bald dort wieder Einzug halten. -
Mir geht es erträglich. Liege in der Nähe eines netten alten Universitätsstädtchen nahe am Mittelmeer. Unter meinen Kameraden sind zwei kath. Theologen u. zwei evangelische, mehrere Studienräte, Juristen usw. Bei einer Sanitätsabteilung in der Nähe sind vier Priester. Mein Standortpfarrer ist münsteraner Kaplan. Also Du siehst, die Lage ist nicht hoffnungslos. -
Dir wünsche ich nun alles Gute, Gottes Schutz u. Segen. Wollen wir in diesem Monat besonders rufen: Herz Jesu, unser Friede u. unsere Versöhnung: erbarme Dich unser.
Mit herzlichen Grüßen
Dein Albert.