Alfred Kirchhoff an Gisbert Kranz, 2. Dezember 1946

Poststempel 2.XII.46
                   E 10.XII.46
                   B 11.XII.42

Lieber Gisbert. Enge, enge!! Mit diesem Gruß empfehle ich mich. Ich bekenne meine Schuld; denn schon lange hatte ich vor, dir zu schreiben. Aber immer kam ebbes dazwischen. Damit will ich mich nicht entschuldigen, aber das Leben wirft uns hin und her. Aber schon oft gedachte ich Deiner. Einmal im Gebete, et cum fratribus nostris absentibus. Aber auch wenn ich in Urlaub Daheim war, besuchte ich immer Deine lb. Eltern und ich habe sie in ihrem Leid getröstet und mit ihnen die Hoffnung gehegt, Du möchtest bald heimkehren. Du könntest Deinen lb. Eltern dann ein wenig Sorge abnehmen. Um mit Prälat Kiel zu sagen „es ist ja eine Heimsuchung nicht nur für Dich, nein auch für uns alle. Hüben und drüben hat man gebetet und doch haben sie den Krieg verloren”. Und nun will ich denn einmal von mir erzählen: Wo soll ich anfangen? Fangen wir auf Rußlands kalten Ebenen an. Am 28.2.44 wurde ich im Mittelabschnitt verwundet. Granatsplitter lk. Unterarm. Heimatschuß. Auf Grund meiner Verwundung konnte ich im Sommer 44 mein 6. Semester in Bonn absolvieren. Ich habe dann in Deutschland die Stellung behauptet. Juli 1944 aus dem Laz. entlassen mit dem Befund a. V. hatte ich erst 8 Wochen Urlaub. - Nebenbei will ich Dir verraten, war ich auch San-Uffz. Kannst Du Dir das vorstellen? Seine Flapszität Uffz? - Dann kam ich gut erhalt zum Reserve Laz. nach Dühmen zum San-Personal. Hier habe ich noch ein gutes halbes Jahr verbracht, wenn auch die Flieger uns arg zusetzten, bis ganz Dühmen am 23. März 1945 in Schutt und Asche zerging. Ich kam dann für 8 Tage noch nach Münster wo dann der Amerikaner uns am Ostermontag in seine Obhut nahm. In der Gefangenschaft kam ich noch bis nach Attichy in Frankreich. Hier hat es mir sehr gut gegangen; denn ich war in einem großen Jugendlager 14-18 Jährige, als Erzieher eingesetzt. Die Arbeit machte sehr viel Freude, und ich war auch nicht gerade unbeliebt bei den Jungens. Nach einem halben Jahr kamen diese Kinder nach Hause und mit den Kindern auch wir. Wir waren schon selbst Kinder geworden. In Deutschland angekommen nahm ich gleich Verbindung mit der „Alma mater” auf.

Hatte noch vergessen, daß ich in der Gefangenschaft so nebenbei ein Semester

an einer Lagerfachschule besuchte und was das Glück will, es wird mir in Köln auch angeregnet. Die Kalkwerke in Köln waren einmal großzügig - So hatte ich jetzt in Bonn mein achtes Semester zu absolvieren. 1939 im Albertinum angefangen - 1946 auch im Albertinum beendet. Und so nahm mich der alte Kasten wieder auf und gierig schlürfte ich die letzten Tropfen der Wissenschaft. Um mit meinem großen Meister Vogels zu sprechen, ging ich bis zu den Wurzeln und Würzelchen. Leider fehlte der [..], ach es war ein tolles Semester. Hunger, Kälte. Mein Zimmer war Schlafzimmer, Kohlenkeller, Holzsägen, Studierzimmer und Tingel-Tangel. Im März machte ich dann den „Introitus”. Fuhr anschließend nach Bingen und Rüdesheim und nahm Abschied von der Welt; denn am 9. April hielt ich meinen Einzug hier im Priesterseminar. Das schöne Seminar in Bensberg ist noch von den Engländer besetzt. So sind wir jetzt hier in Ensen bei Köln. Es ist ein Alexeandrianer Kloster. Es besteht jetzt aus 2 Abteilungen. Die eine Abteilung ist Heil- und Pflegeanstalt die andere Priesterseminar. Ab und zu laufen wir auch schon einmal durcheinander. Dafür haben wir also 8 Semester studiert, daß wir jetzt hier in einer Anstalt landen. Aber sonst gefällt es mir sehr gut hier [..] u. niederen Weihen habe ich erhalten. Morgen beginnen die Weiheexerzitien; dann am 8. Dez. werde ich zum Subdiakon geweiht. Damit muß ich Brevier beten und darf nicht mehr heiraten. Piux ist am Christkönigstag zum Priester geweiht worden. Nun hast Du einen kurzen Bericht von meiner Tätigkeit. Für die Zukunft gilt folgendes: Ostern werde ich zum Diakon geweiht und im nächsten Jahr August wird wahrscheinlich dann die Priesterweihe sein, so Gott es will. Ich freue mich wirklich; und ich glaube auch, daß es so richtig ist. Und Du hast es ja anders überlegt. Auch richtig; denn jeder muß mit Gottes Hilfe den Weg finden, den er dann gehen muß. Nehme an, daß diese Zeilen Dich noch vor Weihnachten erreichen. Darum wünsche ich Dir eine frohe und gnadenreiche Weihnacht. Wenn auch das Meer uns trennt, so wollen wir doch im Gebete miteinander verbunden sein. Die Heimat denkt ja an Euch und einmal wird auch für Dich der Tag der Heimreise kommen. Komme auch gut ins neue Jahr. Lass die Sorgen einmal Sorgen sein, und denke, daß Jahr 1947 wird uns wieder nach Hause bringen. Ich verspreche Dir aber recht bald

wieder zu schreiben, damit ich noch ebbes wieder gut mache bei Dir. Ja, Christel, was waren das noch für schöne Zeiten in Bonn. Gott sei Dank, daß wir diese Zeit noch so ausgenützt haben. Und nun lebe wohl und sei herzlich gegrüßt mit allem
[..] Gruß Dein Flaps.

Lege Dir ein Bild unseres Kardinals bei!