Theo Hoffmann an seine Freundin Rosa, 22. März 1941
Rothenburg ob der Tauber, den 22.III.41
Liebes Röschen
zu lange warte ich schon auf ein Lebenszeichen von Dir; so muss ich denn zur Feder greifen. Es ist keine Veränderung hier eingetreten, kein neuer Transport ist gekommen. Meine Reise in die fränkische Schweiz musste ich vorläufig verschieben wegen momentanem Nichtvorhandensein der lieben Verwandten. Ich habe mich dazu bequemt, die langweiligen Bauern [?] abends zuweilen etwas zu unterhalten, sonst ist meine Einsamkeit ungestört. Ich lebe wie in einem Rausch, in Erinnerung gehörter Musik, Melodien, Akkorde steigen auf, eine alles überwältigende Weite des Geistes tut sich einem auf, mit nie gesehener Klarheit erkennt man die letzten Dinge.
Ich verfalle der Melodie des Sprechgesanges von Hölderlin, lese Rilkes frühe Gedichte. Ich lese sie mit unzerstörbarer Dankbarkeit. Dazwischen Stunden der Apathie und Abgeschlagenheit, die tiefe Erkenntnis der geringen menschlichen Substanz, auf die wir schielen, von der wir zehren und - Und Verachtung einer Welt, die vor Oberflächlichkeit und Kanonenschüssen Respekt hat.
Ich war noch oft an unserem sonnenbeschienenen Platz, hingegeben der Natur, erschöpft am Abend, doch voller Unruhe, warum aller Qual zum Trotz keine Klarheit wird, wie sagte Hölderlin:
„Nur Einen Sommer gönnt, Ihr Gewaltigen!
Und Einen Herbst zu reifem Gesange mir,
dass williger mein Herz, vom süßem
Spiele gesättigt, dann mir sterbe.“
Quelle Noblesse!
Mittlerweile bin ich schon fast schwarz. Der gastronomischen Seite des Lebens kann ich, ach, nicht so huldigen, weil mein Magen vorläufig noch sich beleidigt zeigt. Und ich liebe so sehr Malzeiten, sie zu lieben ist die erste Pflicht, die zweite hat bisher noch niemand entdeckt…
Dein telefonsicher Anruf aus Würzburg hat mich tief gerührt, mir verschlug die Stimme, welche Zeichen von Verbundenheit! Mögest Du ohne Fährnisse in Köln angekommen sein, mögest Du dich recht glücklich und nicht zwiespältig fühlen!
Auf ein baldiges.
Ich verbleibe herzlich der Deinige
TH