Josefa Hoffmann an ihren Bruder Theo, 21. August 1943

Hohwald, am 21.8.43

Lieber, lieber Theo!

Deinen ersten Brief, den du kurz nach Deiner Ankunft im Osten geschrieben, hat Vater uns hierhin nachgeschickt. Sonst haben wir noch nichts von Dir gehört. Schreib uns doch bitte so oft du kannst! Bitte, bitte!

Wir sind jetzt nahezu 3 Wochen hier in Hohwald. Es ist ganz großartig hier, die Bergwelt der Vogesen ist gigantischer gewaltiger als der Schwarzwald. Tannen, Tannen allüberall, dazu so sehr hoch u. gerade gewachsen, geradezu von majestätischer Schönheit. Wir wohnen hier ganz auf der Höhe, dicht am Tannenwald u. atmen Tag und Nacht die würzige Tannenluft ein. Die Verpflegung ist gut hier, wir bekommen vor allem viel Milch. Obgleich wir wenig spazieren gehen u. ¾ vom Tag liegen, hat Mutter ein gutes Pfund und ich überhaupt nichts zugenommen. Mutter geht es gut, sogar bis vor wenigen Tagen besser als mir. In den ersten 12 Tagen hatte ich ständig Gallen-

koliken, habe nachts u. am Tage Paspertinzäpfchen nehmen müssen. Jeweils vor dem Essen Chologentabletten. Anschließend daran bekam ich eine schwere Angina, wie ich, glaube ich, noch keine hatte. In einer Nacht war es so schlimm, daß ich Angst vor Diphterie hatte. Ich habe daraufhin an Herrn Professor geschrieben, mir noch einige Tage zusätzlich zu gewähren , damit ich wenigstens 8 richtige Erholungstage habe.

Wir hatten in den ersten 14 Tagen viel Regen, Hagelschlag u. Sturm, seit 8 Tagen herrlichsten Sonnenschein, eine tolle Hitze, gestern waren es im Tal 52°.

Vaters Brief, in dem er die Unterbringung der Möbel usw. anzeigt, wirst du sicherlich inzwischen erhalten haben. Heute schrieb Vater, daß wir in Neuenahr ab 1. Oktober ein Doppelzimmer mit Verpflegung bekommen können.

Oma geht es bis jetzt noch gut. Hoffentlich läßt die Hitze nach, denn die Hitze bekommt ihr ja nie gut.

Mutter verspürt ab und zu noch immer dieses eigenartige schmerzhafte Gefühl in den Händen und Armen, jedoch immer nur kurz. Ich glaube, daß sie sich hier gut erholen wird. Vorgestern waren wir in Straßburg, haben jedoch

weiter nichts kaufen können, da seit 1. August die Kleiderkarte wieder gesperrt ist. Aber den Film mit den Aufnahmen aus Deinem Urlaub haben wir abgeholt. Sie sind zum großen Teil hübsch geworden. Eines legen wir Dir bei.

Wir leben hier ganz von der übrigen Welt abgeschlossen. Post kommt immer erst in 6 - 7 Tagen hier an. Politische Ereignisse dringen kaum bis hierhin durch. In Bonn fand in der vergangenen Woche morgens zwischen 9 u. 10 Uhr ein schwerer Bombenangriff statt. Vater war gerade auf dem Wege dorthin. Die Rheinuferbahnstrecke ist schwer beschädigt worden. Der Vater hat von Hersel über Bombentrichter zu Fuß nach Bonn gehen müssen und fand in Bonn Trümmer und brennende Häuser vor.

In Wesseling die Hermann-Göring-Werke

und andere Werke dort sind angegriffen worden. Am selben Morgen war auch Bochum bombardiert worden. Vater traf an diesem Tage auf dem Bonner Staatsbahnhof Herrn Täpper, der seinen kranken Bruder besuchen wollte u. ihn von einer Bombe getötet fand.

Hier in dieser wunderbaren Ruhe kommt einem die übrige grausige Welt unwahrscheinlich vor. Gebe Gott doch

bald ein Ende dieses Völkermordens!

Gottes Engel mögen Dich weiterhin beschirmen. Ich umarme u. küsse Dich innig
Deine Schwester.

 

Mein lieber Theo. Ich hoffe, daß Dich dieser Brief gesund u. geborgen antrifft. Ich hörte so ........du sollst plötzlich in großer Gefahr sein..............bei dem .... Ringen, wäre das ja nicht ausgeschlossen. Der liebe Gott wird Dich wohl weiter beschützen. Ich bleibe bis Ende August hier. Vater schickt mir Deine Briefe zu. Denke Dir, wir haben das Telefon gesperrt bekommen.......-

Hoffentlich bekommen wir es wieder. Wenn Du etwas brauchst(?), dann schreibe bitte.

Nun leb wohl mein lieber, lieber Junge, meine Gedanken sind oft bei Dir.

Ich umarme und küsse Dich herzlich
Mutter

Ich umarme und küsse Dich herzlich
Mutter