Theo Hoffmann an Freundin Rosalie Schüttler, 31. März 1944

Liebes Röschen,

endlich finde ich Zeit, Dir einige Zeilen zukommen zu lassen verbunden mit einer ganz geringen Aussicht, das sie in Deine Hände gelangen werden. Den B.[ug] habe ich zwar glücklich überschritten, befinde mich aber wie die ganze Armee weitgehend in einem encerclement des Russes duquel on ne voit pas encore la fin, stehen schon 250 Kilometer westlich von uns in gleicher Höhe.

Die Kraftfahrzeuge sind wieder in diesem Morast fast alle stehen geblieben, ich selbst reite hoch zu Ross ohne Sattel und Steigbügel wie ein Kosake nun durch Tiefengrund, das so ungefähr seit Smola [?] – Tscherkassy, vorwärts und rückwärts, mal nach Norden, mal nach Süden. Von der Heimat hört und sieht man nichts, Postverbindung scheint überhaupt keine zu bestehen, ich bin in großer Unruhe um meine Angehörigen zu Hause - die letzte Post liegt schon einen Monat zurück – wie auch um Dich seit dem Tagesangriff auf Köln. Meine schlimmsten Ahnungen werden nun Wahrheit, die so lange erkannt wird, la défaite est devenu déjà un fait accompli es wird ein furchtbarer Niedergang werden.

Mittlerweile helfe ich mir hier so durch, meine russischen Sprachkenntnisse machen glänzende Fortschritte – das kommt mir alles sehr zustatten – ich spreche jetzt fast fließend, ich bewege mich frei und ungezwungen in ihr.

Und eigentümlich, der Abschied aus dieser weiten Landschaft fällt mir schwer, ich habe das Land lieben gelernt, die Heimat eines Puschkins, Lermantows, Tolstois, [---], Rimskij-Korssakoffs, jene seltene Mischung aus erstaunlicher Zartheit und einer bis ans Brutale grenzenden Naturhaftigkeit.

Ich werde Dir manches berichten können, wenn ich in Urlaub kommen sollte -und der rückt im Moment ferner denn je – ich bin übervoll. Ich fühle mich zur Zeit körperlich sehr elastisch und kräftig, geistig überaus beweglich. -Dazwischen liegt operative Arbeit mit teilweise sehr guten Erfolgen. In dem operativen Schnitt liegt ein ästhetisches Element, welches mich begeistert, welches dann auch der Genauigkeit des Arbeitens zugute kommt.

Entschuldige, Liebe, die sehr schlechte Schrift, [---], durch die schlechte Lage bedingt.

Lebe recht herzlich wohl, auf ein baldiges
Dein Theo

31.III.44

in einer russischen Einkesselung, deren Ende noch nicht abzusehen ist
Die Niederlage ist schon zur Tatsache geworden