Theo Hoffmann an Freundin Rosalie Schüttler, 5. Juli 1942

[5.7.42 - Paris]

F.P.N. 32072

Liebes Röschen,

ich bin in Unruhe. Ich höre gar nichts von Dir. Bist Du krank? Ich will es nicht hoffen. Ich will Dir sagen, dass ich - wenigstens im Augenblick, man kann ja nie wissen, was der nächste Moment bringt - sehr, sehr glücklich bin. Ich gehe viel aus, besuche die Oper, die vielen Theater, La Comédie francaise, wunderbar, wunderbar. Meine Relationen kommen mir jetzt zugute, bin viel eingeladen, gehe verbotenerweise in Zivil, trage eine sehr schicken dunklen Anzug, zur Unkenntlichmachung eine dunkle Brille, die bessere Welt trägt sie sowieso – die neue Mode. In dieser Weise kann man sich in der Weltstadt gut bewegen – man muss natürlich etwas Glück entwickeln. Man fühlt sich von der französischen Sprache wie von einem Panzer umgeben, wunderbar die Gespräche, die man so abends beim Diner führen kann. Gestern Abend war ich eingeladen: Hors d’oeuvre: Tomatensalat, Entrée: ein Fischgericht, dann Languste, dann Artischocken, dann ein wunderbares Omelette, dann Beefsteak,

dann grüne Bohnen in Butter gebacken, dann Camembert, Obst. Zunächst ein Rotwein Bordeaux, und dann Weißwein de Bourgogne, danach ein Café. Es begann um 7 Uhr abends und endete um 11 Uhr. Es war eine sehr elegante, angenehme Gesellschaft. Ich bin nicht mehr derselbe wie in Paris 1937. Ich genieße alles mit gewisser Behaglichkeit, während ich damals auf der Jagd nach den Damen war. Gewiss, die Frauen sind fantastisch, aber sie interessieren mich mehr in der Unterhaltung als ich sie besiegen möchte. Ich glaube, ich habe mich weitgehend gebessert, lache nicht! Ich bin glücklich so, lese viel die großen Franzosen, gehe in die Konzerte. Du glaubst nicht, was man hier noch alles hören kann. Dies ist zu schön, um wahr zu sein, grausam wird das Erwachen werden. Deswegen bereite ich mich schon vor, damit der Schock nicht zu heftig wird.

Ich hätte Dir noch soviel zu erzählen, aber es würde kein Ende nehmen. Ich hoffe nur, dass wir uns bald auch einmal sehen, die Aussichten dazu sind zwar gerade nicht günstig, aber wer weiß. Ich hätte ja auch nicht gedacht, dass sich noch einmal die Zelte hier in Paris wiederfinden würden. Liebes Röschen, habe noch einmal herzlichen Dank für das Paketchen, welches just in dem Moment der Abreise von Iserlohn eintraf. Die Kirschen waren wundervoll. Schreibe mir recht bald und sei herzlich gegrüßt

von Deinem Theo