Gisela W. an Theo Hoffmann, 15. Dezember 1943

Krakau, 15.12.43

Mein lieber Tedd!

Nun konnte ich Dir leider kein Weihnachtpäckchen schicken, da sie ab 1.12. gesperrt waren. Vorher war ich mit meiner Grippe beschäftigt und hoffte auf eventuellen Urlaub, aus dem wohl nichts zu werden scheint. Mein Bruder ist allerdings gekommen und ich freue mich sehr darüber. Die Weihnachtsgeschenke machen mir großen Kummer, es soll doch wenigstens eine Kleinigkeit sein. Ich hoffe, dass ich Dir etwa schicken kann, wenn die Sperre wieder aufgehoben ist. Hast Du irgendeinen besonderen Wunsch, den ich Dir erfüllen könnte? Schreib es ruhig, wenn es zu machen geht, tue ich es gerne. Ich weiß auch gar nicht, wann Du Geburtstag hast. Ich möchte wenigstens gern ein paar liebe Zeilen zum

14. 2. von Dir in Händen haben. Bei Dir muss es schon verflixt kalt sein, pass bloß auf, damit Du nicht erfrierst. So wirst Du am Weihnachtsabend in Russland sitzen, hoffentlich ohne Kampf, und Deine Gedanken in die Heimat schicken, wenn am Abend die Sterne am Himmel erscheinen und einen die wehmütige Stimmung ergreift. Dann werden wohl auch Deine Gedanken zu mir eilen und schöne gemeinsam verbrachte Stunden neu auferstehen. Du sollst diesen Tag den Umständen entsprechend nett verleben mit vielen lieben Briefen und Päckchen. Du, Sylvester mit dem Glockenschlag 24 Uhr trinke ich auf Dein Wohl ein ganz großes Glas. Vielleicht kannst Du es auch so halten? Dann fühlen wir beide, dass wir aneinander denken. Ich werde nun auch bald nach Haus fahren, da mein

Bruder auf Urlaub ist. So werden wir also die 5. Kriegsweihnacht begehen und am Jahresende denken: Was wird nächstes Jahr um diese Zeit sein? Wohl kein Krieg mehr. Wie oft haben wir das schon gedacht. Wir leben hier noch unser bisschen Leben, machen es uns so nett es geht, denn die Zeit ist ernst genug.

Vielleicht kommt mein Bruder paar Tage nach Krakau, dann will ich ihm ein paar nette Stunden bereiten. Er hat auch allerhand mitgemacht, war zweimal eingeschlossen.

Mir geht es ganz gut, wenn auch der Husten ziemlich beharrlich ist, der rutscht bei mir gleich immer in die Bronchien. Das Klima scheint mir gar nicht zu bekommen, vielleicht gehe ich von Krakau weg, aber wohin? Nun habe ich mich hier eingerichtet und alles

mitgeschleppt. Was rätst Du mir? Ich hatte schon mit Paris spekuliert. Aber dort sind ja auch die elenden Fliegerangriffe. Heute ist die Wahl schwer. Und die Lebensbedingungen sind hier nicht die Schlehtesten. Ja, man weiß nie wie man es richtig macht.. Ich weiß leider auch zu oft nicht, was ich will.

Nun lass es Dir recht, recht gut gehen, möge Dir das neuen Jahr einen Sack voller schöner Stunden bringen.

Denk ein bisserl lieb an
Deine Gisela,

die Dir viele liebe Grüße sendet.