Theo Hoffmann an Freundin Rosalie Schüttler, 31. Oktober 1943

31.10.43 [Poststempel]

Liebes Röschen,

habe einen Stoß Päckchen und die beiden größeren erhalten. Sei so lieb und stoppe ein wenig die „süßen Sendungen“. Nachdem ich jetzt schon einmal unsere Päckchen durch „Feindeinwirkung“ verloren, muss ich mit dem Ballast vorsichtiger werden. Vorerst schleppe ich auch mit einem simplen Sack herum.. Weißt Du, es sind jetzt nacheinander drei geistvolle Bücher über “Physik“ herausgekommen , von Comte Louis de Broglie „Luft und Materie“ , von Jordan [?], und von, wenn ich mich nicht irre, von v. Weizsäcker. Könntest Du mir den beschaffen? Ich wäre Dir sehr dankbar. Könntest Du mir gelegentlich ein ganz klein wenig Schinken schicken, ich fühle einen geradezu krankhaften Appetit darauf und ich schwelge dabei in Erinnerungen...

Seit heute morgen 4 Uhr tobt wieder ein schwerer Angriff, den wir bisher abwehren konnten. Der Kommandeur des Nachbar-Bataillons fiel.

Entschuldige Schrift, Papier, Bleistift, keine Unterlage,

unmögliche Beleuchtung, dauernd lästige Artillerie-Einschläge und dabei ist ja meine Schrift nun sonst schon unmöglich. Doch wie geht es Dir? Wie soll man in dieser armen Stadt noch leben? Die Stunden bei Dir erschienen mir damals wie eine letzte Möglichkeit vergangener, bürgerlicher, privater Existenz inmitten maßloser, bleibender Knechtung, in dem Zusammensturz der Gewalten. Es war sehr schön, Dich zu entkleiden, immer wieder küssend und küssend, Deine Haare, Deine weißen Brüste, Deine Schenkel, das Dunkel Deines Schoßes, es immer wieder umspielend und tief eintauchend, bis wir in höchster Erregung einander uns fanden.

Sei mir nicht böse, wenn ich selten schreibe, es fehlt einem nach dem Überfall der Ereignisse oft die Konzentration. Ich erfreue mich bisher zwar noch eines seltenen Gleichmuts der Nerven, doch Spannungen rächen sich immer.

Lebe wohl, herzlich wohl

Dein Theo

2. Brief im gleichen Umschlag