Gisela W. an Theo Hoffmann, 3. Oktober 19443

Nr. I
Krakau, 3.10.43

Mein Lieber Theo!

Nun will ich Dir wieder schnell ein paar Zeilen senden. Weißt Du, ich finde, wir nummerieren am besten unsere Briefe. Ich fange heute gleich an. Man weiß da am besten, ob welche verloren gegangen sind. Morgen schicke ich das Päckchen an dich ab, hoffent-

lich kommt es an.

Mir ist vorige Woche was tolles passiert. Bei einer Zuckeranalyse ist mir HSO4 (?) ins Auge gespritzt. Ich habe gebrüllt wie am Spieß, weniger wegen der Schmerzen als in dem Glauben, nun das Augenlicht zu verlieren. Der nächste Gedanke war gleich mir dann eine Kugel in den Kopf zu schießen. Aber wie gesagt, das war

nur der erste Schreck. Es ist alles gut abgelaufen, braucht bloß zweimal zum Arzt gehen. Du siehst, sogar hier kann man zum Krüppel werden.

Wie geht es denn Dir mein Lieber? Wenn ich manchmal abends allein sitze, denke ich oft an Dich, dass Du vielleicht gerade im größten Dreck liegst, während ich noch in der

Sicherheit meiner „Bude“ bei traulichem Lampenschein lesen und dergleichen machen kann. Dann fühle ich mich geborgen und wünsche Dir das gleiche. Ach, es geht ja alles einmal vorüber, hoffentlich recht bald.

Meine guten Wünsche begleiten Dich stets
Deine Gisela