Theo Hoffmann an Freundin Rosalie Schüttler, 19. Juli 1942

[19.7.42 – Paris]

Liebes Röschen,

habe recht herzlichen Dank für Deine lieben Briefe und Päckchen, die alle heil samt Inhalt angekommen sind. Es war rührend, die wieder so sorgfältig gepackten Kleinodien zu öffnen. Die Plätzchen waren wie immer wunderbar. Heute Abend bin ich wieder von französischen [...] eingeladen . Vorgestern war ich mit einem franz. Generalssaatsanwalt aus dem Justizministerium zusammen, der aus Vichy in geschäftlichen Angelegenheiten nach Paris kam. Durch ihn wiederum bin ich mit einigen

deutschen [?] Regierungsstellen in Paris bekannt geworden – sehr, sehr interessant. Überhaupt sehe ich meinen alten Freunde oft wieder, gehen aus zum Essen, ins Theater, lassen uns einladen, - zuweilen ist es wie im tiefsten Frieden 1932. Nur ist meine Zeit eher knapper – ich bin als Chirurg an das Hopital de la Pitié beordert, eine alt ehrwürdige Stätte der Medizin, sehr berühmt. Auch habe ich einen Blinddarm in dem Operationssaal operiert, wo früher große, bekannte Chirurgen operiert haben. Das Gefühl, an einer solchen Stelle sich zu befinden, gibt einem ein großes Hochgefühl. – Sonst ist nun dieses aber alles lästig, denn es raubt mir kostbare Zeit, dieses süße dolce farniente, wie Stendhal, dessen 100. Todestag jetzt gefeiert wird, in einem eminent geistigen Sinne liebte und lebte. Stendhal, ja Stendhal, wunderbar, wie diese großen Geister heute an allen Ecken in diesem wunderbaren Volk wirken.

Noblesse, politesse, élégance, savoir- vivre, scépticisme, -l’ésprit.-

Doch wie geht es Dir, liebes Röschen? Sind die reifen Früchte nun alle eingefahren, die dafür auch Dir dankbar wären. Solltest Du einmal ein paar Brotmarken über haben, schickst Du sie mir? Ich kann sie hier eintauschen. Und das Brot ist knapp. Schreibe mir recht bald wieder und lebe wohl.

Herzlichst der Deinige
Theo