Victor Hoffmann an Sohn Theo, 11. Februar 1943
11.2.43
Mein lieber Junge !
Augenblicklich sind wir, besonders aber deine liebe Mutter, in großer Sorge um Dich, da doch im Raume von Kirowograd, Kriwoi -Rogg und Nikopol allerhand los ist. Man spricht von umfangreichen Einkesselungen. Wie geht es mit Dir? Seid Ihr soweit von der Front, dass Eure Sicherheit weniger bedroht ist und Ihr euch nötigenfalls rechtzeitig absetzen könnt?
Hier in Köln hat es, trotz aller Heeresberichte über Angriffe in Westdeutschland, bisher noch gutgegangen. Köln hat in letzter Zeit noch nicht oft Fliegeralarm gehabt, tagsüber u. des nachts, aber noch kaum Angriffe. Mögen sie uns weiter verschonen u. der liebe Gott u. unsere Schutzengel uns weiter beschützen. Deine Päckchen gehen, seit dem ich auf der Post reklamiert habe bedeutend regelmäßiger ein. Abgesehen von denen, die wohl längst ihren Herr oder besser Dieb gefunden haben, sind in letzter Zeit die Päckchen alle angekommen u. sogar vielfach der Nummer nach. Die letzten Eingänge werde ich am Schluss anführen, ich habe gerade mein Verzeichnis nicht zur Hand. Diese eisernen Rationen werden eisern behütet und nur wenn nichts anderes zur Stelle ist, wird irgend eine Kleinigkeit aufgemacht. Natürlich dürfen Oma, Deine Mutter u. auch Josefa keine Not leiden. Dafür sorge ich auch schon durch meine Fahrten sowohl in die Nähe als auch in die Heimat, so dass uns bisher noch kaum etwas gefehlt hat. Dazu grase ich die ganzen Apotheken ab, um Arzneimittel, die anfangen rar zu werden, für Deine Mutter u. Oma aufzutreiben. Leider muss man für jede Kleinigkeit ein Rezept u. sogar ein neues Rezept haben. Die Aluminiumflaschen wollte ich Dir schon längst geschickt haben, aber Mutter hält mich immer davon ab, Du hättest jetzt ja doch wohl kaum noch was zum Schicken. Wie soll ich’s nur machen? Dir schicken oder nicht? Für Ölsendungen sind sie ja geradezu ideal. Auch die Erbsen und Bohnen sind großartig, da ich auch welche in Buschdorf und Umgegend aufkaufen konnte, sind wir z.Zt. so ziemlich damit versorgt u. vielleicht kannst du, wenn die Beschaffung und Verpackung zuviel Mühe macht, diese Sachen etwas stoppen. All das, was du geschickt hast, ist so herrlich und immer wieder mache ich Inventur u. besonders das Öl hat uns schon etliche Male zu wundervollen Reibekuchen verholfen von den anderen herrlichen Sachen gar nicht zu reden. Und immer,
wenn davon etwas auf den Tisch kommt, geht die Rede von Dir, dem fernen Soldaten an der Ostfront, nach dem wir uns so sehr sehnen. - Für gestern war es mir gelungen 3 Opernkarten für Othello zu bekommen , 1. Rang Mitte à 6,85 RM. Wir freuten uns alle.
Mutter ging zum Friseur nach der Stadt, Josefa machte sich mit vieler Mühe frei und wenn ich dann ½ Stunde vor Beginn der Vorstellung zum Opernhaus kam, um die Karten abzuholen, leuchtete mir an der Kasse ein großes Schild entgegen „anstatt Othello Fra – Diavolo“, das ich mit Mutter vor 14 Jahren gesehen. Na den Ärger kannst du Dir denken. Draußen wüstes, kaltes Schneegestöber. Die Karten verkauften wir anderweitig u. dann gingen wir in Ermangelung einer Bahn nach Braunsfeld ins Kino. „Laufe Bajazzo!“ Da verlor Mutter noch zum Überfluss ihre schönen gefütterten Lederhandschuhe - Handschuhe sind überhaupt nicht mehr zu bekommen weder Leder noch Garn noch Wolle. Ich habe mir aus dem Keller ein paar alte Lederhandschuhe herausgesucht, die mir früher zum Reinigen der Fahrräder dienten. Habe sie mit Wachs wieder etwas gefärbt und ziehe sie nun bei hohen Feierlichkeiten oder bei Leichenbegängnissen an. Na, schließlich haben wir Mutters Handschuhe doch wieder gefunden, wobei uns ein Soldat mit seiner Taschenlampe wundervolle Dienste leistete. - An Päckchen sind seit meinem letzten Brief am 4.2. noch eingegangen. 143, 145, 149, 151, 152, 153, 150, 154-156, 169 u. 170 u. 10 ohne Nummer, alles herrliche Dinge. Unseren innigsten Dank. Wo sollte ich mit den 3 kranken Frauen hinkommen, ohne deine liebe Sorge?! Hier im Allianzgebäude muss bei Alarm der Schutzkeller aufgesucht werden, auch bei Tage, was z.Z. öfter vorkommt. Auch gestern um 1 Uhr. Wir wollten uns gerade im Dachgarten zum Mittagstisch setzen, als die Sirenen gingen u. wir unser schönes Essen im Stich lassen mussten. Gott sei Dank wie gewöhnlich dauerte es nicht lange. Ich konnte essen und dann ging’s zum Opernhaus, wo wie Du gelesen, meiner Freude ein gewaltiger Dämpfer aufgesetzt wurde.
Das wäre das Neueste. Lass recht bald von Dir hören mein lieber Theo. Gott befohlen u. seiner hl. Mutter. Ich umarme u. küsse dich innigst
Dein Vater