Josefa Hoffmann an ihren Bruder Theo, 20. April 1943

Köln, am 20.April 1943 (Dienstag)

Lieber Theo!

Täglich warten wir auf Post von Dir, immer, immer vergebens. Wir machen uns große Sorge. Bist Du krank? Die Seuchen wie Typhus, Flecktyphus u.ä., haben schone manches teure Leben , das man in Sicherheit wähnte, drüben hinweggerafft. Von Toni Beuth’s Tod hast Du ja gehört. Wir hoffen inbrünstig zu Gott, dass Du Dich wohl befindest. Aber warum schreibst Du uns nicht wenigstens einmal wöchentlich? Wenn du keine Zeit zu langen Briefen hast, so schreibe doch ein Kärtchen, ein Gruß genügt. Es ist nicht recht, das du uns wochenlang ohne Nachricht von Dir lässest. Wir hoffen alle sehnlichst, dass Du bald in Urlaub kommst. Mutter und Oma meinen, Du ständest eines Tages oder auch zu nächtlicher Stunde vor der Türe. Es wäre ja zu schön!

Vergangenen Sonntag (Anmerkung: Sonntag vor Ostern) habe ich die ganze Matthäus-Passion aufgeführt, nahezu drei Stunden hat die Aufführung gedauert. Alle haben ergriffen gelauscht, Oma saß dicht am Apparat und hat fast alles verstehen können. Es war ganz wunderbar. Wie schön wäre es, wenn Du Ostern zu Hause mit uns zusammen die Passion hören könntest! Dadurch, dass wir schon Wochen auf Nachricht von Dir warten und damit rechneten, dass Du uns Deine Urlaub anzeigtest, haben wir kein Osterpaket an Dich abgeschickt, da die Kostbarkeiten dich ja, falls du unterwegs sein solltest, nicht mehr erreichen würden. Da aus einem Urlaub nun doch nichts mehr zu werden scheint, tut es uns herzlich leid, dass wir Dir kein Paket gemacht haben. Vater reist Gründonnerstag für 14 Tage in Ferien, wird die Osterfesttage in Inglingen/Lothringen verbringen. Dort herrscht augenblicklich grosse Freude, da die Bauernjungen vorläufig alle vom Militär zurückgestellt worden sind. Meine Ferien, die ich im vorigen Jahr dort verbrachte, sind mir in sehr schöner Erinnerung. Leider habe ich die elf Pfund, die ich dort in drei Wochen zunahm, schon wieder verloren. Da die Kousine Gretchen von Inglingen, die mich letztes Jahr so gut versorgte und bis dahin nicht von meinem Kranksein wusste, seit Anfang Winter kränkelt und keine Hilfe hat, kann ich in diesem Jahr leider nicht dorthin fahren. Aber wir haben einen anderen schönen – und was heute das Allerwichtigste ist – „nahrhaften“ Ferienort aufgetan.

Mutter und ich fahren, so Gott will, am 20.Mai in die Vogesen, und zwar von Strassburg nach Barr und von dort mit einem Omnibus in die Berge nach Hohwald zum Zündelkopf. Dort werden wir in einem wunderschön gelegenen Forsthaus Quartier nehmen. Stieringer Finchen, die augenblicklich dort weilt, schreibt viel Versprechendes in jeglicher Hinsicht; und ihr kann man glauben, sie hatte schon in den ersten 14 Tagen viel zugenommen. Die Vogesen sind ja einzig schön. Leider haben wir die Ferien wieder gekürzt bekommen, habe jetzt im ganzen 16 Tage. Außerdem haben wir jetzt täglich 10 Stunden Dienst.

Lieber Theo, wünsche mir bitte, dass mir hier in der Klinik kein Strich durch die Rechnung gemacht wird. Frau Meurer –Du hast sie ja damals kennen gelernt, als wir sie und ihren Mann im Kaffee Wien getroffen hatten – erwartet ein Kindchen und setzt augenblicklich mit ihrem Dienst aus, da sich Blutungen (5. Monat) eingestellt hatten. Falls sie bis zur Niederkunft liegen müsste, ließe der Chef mich ja nicht in Urlaub fahren. Übrigens scheint Frau Meurer die Blutungen durch große Aufregung bekommen zu haben. Bei dem Terrorangriff am 26. Februar haben sie ihre Wohnung verloren, die ganze Hartstrasse in Klettenberg, wo sie wohnte, liegt am Boden, was nicht von Bomben zerstört wurde, musste nachher gesprengt werden. Etwa drei Wochen später erhielt sie die Nachricht, dass ihr Mann seit dem 12. Januar mit 28 anderen Männern seiner Kompanie vermisst wird. Ab 1. Januar war er mit seiner Kompanie, die doch bis dahin nie mit der Waffe eingesetzt waren - es waren ja alles ältere Jahrgänge, Erikas Mann ist, glaube ich, jetzt 40 Jahre - hart am Feind eingesetzt worden. Hoffentlich ist er in Gefangenschaft. Es ist ja furchtbar, dass man mit den Gefangenen gar keine Verbindung aufnehmen kann. Vorige Woche habe ich Herrn Sauerwald senior besucht. Er lässt Dich herzlich grüßen, auch besonders von seinem Sohn Heinz. Dieser befindet sich augenblicklich in Berlin beim O.K.W., kommt schon mal öfters nach Köln auf kurzen Urlaub. Sein Vater sagt, dass er sehr abgemagert sei, kaum 100 Pfund wiege. Weißt Du, ich hatte Verbindung mit Herrn Sauerwald aufgenommen, da ich mit Herrn Dr. Mollweide evtl. dort Klavier spielen wollte. Sauerwalds hatten ja im Frieden solche Möglichkeiten. Leider ist aber jetzt nichts mehr damit. Seine ganzen Räume stehen jetzt gespickt voll reparaturbedürftiger Klaviere, die bei den Fliegerangriffen beschädigt worden sind. Ich hatte ihm damals

 

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