Gisela W. an Theo Hoffmann, 8. August 1943
Neustadt, 8.8.43 (Sonntag)
Lieber,
wir sitzen hier mit Annusch recht gemütlich, der letzte Bohnenkaffee, den ich mir vom Herzen gerissen habe und der Kuchen restlos vertilgt. Wir haben an Dich gedacht und uns vorgestellt, wie nett es gewesen wäre, wenn Du hättest dabei sein können. Die Wohnung ist urgemütlich, ein bisschen Radiomusik ertönt – man fühlt sich zuhause. Ein schönes Gefühl, wenn man vorher ein bisschen rumzigeunert ist, sich wegen Zimmer etc. ärgern musste, schnell beim Portier vorbeihuschte.
Meine Gedanken wandern immer zu dir, wenn
im Radio von den Kämpfen bei Bjelgorod gesprochen wird. Wer weiß, was Du schon erlebt hast, während wir hier unser Leben weiterleben, bestrebt es so gut es geht angenehm zu gestalten. -
Meine Schwester hat mir eben eine Zarah Leander Frisur gemacht, findet mich fabelhaft und behauptet, Du hättest mich überhaupt nicht „anständig“ gesehen, ich wäre jetzt zum Glück wieder die alte Biggi. Ja, “Danzig“ war bisschen aufregend, anstrengend, aber verbunden mit kleinen Liebestollheiten zu gut zu ertragen. Ich ahnte, wusste es, wie es mit uns beiden kommen würde, wollte ausweichen und hatte doch nicht die Kraft dazu, denn die kleine Sehnsucht im Herzen war stärker.
Deine Gisela
P.S. Schreibe bitte nach Krakau
[Beigelegt ist ein Brief von Annuschka:]
Neustadt, 8.8.43
Lieber Herr Theo!
Es ist schön jemanden wieder einmal etwas verwöhnen zu dürfen, außerdem wenn es eine (...), manchmal auch hilfsbedürftige Schwester ist. Zu Ihrer Beruhigung, falls eine solche notwendig ist, kann ich Ihnen versichern, dass ich den Rest der Ferien gut auf sie aufgepaßt habe. Weitere Dummheiten sind nicht gestattet. Für den weiteren Verlauf der Dinge kann ich allerdings nicht garantieren, da sie
sich meiner schwesterlichen Obhut morgen entzieht. – Haben uns alles einverleibt, was uns und wohl auch ein Soldatenherz erfreut hätte. Da es an geistigen Getränken mangelte, haben wir einfach ein Magenmittel getrunken – China-Elixier oder Pobodinal (?) genannt. Der Erfolg allein ist und war ausschlaggebend.
Wünsche Ihnen alles Gute
Mit bestem Grusse
Annuschka
[Ergänzung von Gisela:]
Habe allein auf mich aufgepasst, war ja 3 Tage solo in Zoppot.